Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung einer Person Grundvermögen zugewandt, dass den wesentlichen Teil seines Vermögens bildet, so liegt darin im allgemeinen eine Einsetzung des Bedachten zum Alleinerben. Dabei ist von den Vorstellungen auszugehen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentsentrichtung von der vorraussichtlichen Zusammensetzung seines Nachlasses hatte.
Normenkette
BGB § 2087
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 07.03.1997; Aktenzeichen 6 T 6562/97) |
AG Garmisch-Partenkirchen (Beschluss vom 07.07.1995; Aktenzeichen VI 22/93) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 9 wird der Beschluß des Landgerichts München II vom 7. März 1997 mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren aufgehoben.
II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 8 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 7. Juli 1995 wird zurückgewiesen.
III. Der Beteiligte zu 8 hat die dem Beteiligten zu 9 im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I.
Der im Alter von 84 Jahren verstorbene Erblasser war verwitwet und kinderlos. Er hat am 25.10.1982 ein privatschriftliches Testament errichtet. Darin verfügte er, daß der Beteiligte zu 9 „befreiter Vorerbe für das Haus mit Grundstück in F.” sein soll und nach seinem Tode seine ehelichen Kinder (die Beteiligten zu 13 bis 15) Nacherben werden sollen. Ferner hat er zugunsten der Beteiligten zu 5 und 10 Geldvermächtnisse in Höhe von 10.000 DM bzw. 20.000 DM angeordnet und für die Beteiligte zu 6 ein Wohnrecht im Parterre des Hauses in F. Außerdem beschwerte er den Erben mit der Auflage, das Familiengrab zu pflegen.
Für den Erblasser wurde der Beteiligte zu 4 mit Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 12.6.1990 zum Pfleger bestellt. Nach dessen Angaben belief sich das Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung auf einen Betrag von ca. 613.000 DM, bestehend aus dem Grundstück in F. im Wert von 400.000 DM, Ferienbungalows in Italien im Wert von 100.000 DM, Kapitalvermögen in Höhe von 108.000 DM und Inventar im Wert von 5.000 DM. Mit Beschluß vom 11.5.1993 bestellte das Nachlaßgericht den Beteiligten zu 4 zum Nachlaßpfleger.
Der Beteiligte zu 9 ist der Auffassung, daß der Erblasser ihn zum alleinigen Vorerben eingesetzt habe und seine drei Kinder (die Beteiligten zu 13 bis 15) bei seinem Tod zu Nacherben. Er hat deshalb einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben unter Anordnung der Nacherbfolge ausweisen soll. Das Nachlaßgericht hat am 7.7.1995 in einem Vorbescheid die Erteilung eines dem Antrag des Beteiligten zu 9 entsprechenden Erbscheins angekündigt. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 8 (des Bruders des Beteiligten zu 9), der zu den gesetzlichen Erben des Erblassers gehört, hat das Landgericht den Vorbescheid aufgehoben und die Sache an das Nachlaßgericht zurückverwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 9.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.
1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß der Erblasser mit der Zuwendung des Grundstücks im Testament vom 25.10.1982 an den Beteiligten zu 9 diesen als Erben unter Anordnung der Nacherbfolge einsetzen wollte. Zum Alleinerben habe er ihn jedoch nicht einsetzen wollen, auch wenn das Grundstück in F. einen wesentlichen Teil des Vermögens des Erblassers gebildet habe. Denn der Erblasser habe in dem Testament nicht vollständig über sein Vermögen letztwillig verfügt. Vielmehr habe er sich die Regelung bezüglich der ihm ebenfalls gehörenden Bungalows in Italien bewußt vorbehalten. Da insoweit keine Verfügung mehr getroffen wurde, sei neben der testamentarischen Erbeinsetzung auch gesetzliche Erbfolge eingetreten. Daher sei der Antrag des Beteiligten zu 9 auf Erteilung eines Alleinerbscheins unter Anordnung der Nacherbfolge abzulehnen.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Die Annahme der gesetzlichen Erbfolge beruht auf einer fehlerhaften Auslegung des Testaments durch das Beschwerdegericht (zum Prüfungsmaßstab vgl. BayObLGZ 1991, 173/176).
a) Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die Zuwendung des Grundstücks in F. an den Beteiligten zu 9 als Erbeinsetzung und nicht lediglich als Anordnung eines Vermächtnisses anzusehen ist. Gemäß § 2087 Abs. 2 BGB ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß der Bedachte Erbe sein soll, wenn ihm nur einzelne Gegenstände zugewendet sind. Diese Auslegungsregel greift jedoch nicht ein, wenn ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werden kann. Für eine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 9 spricht vor allem, daß das Grundstück in F. den wesentlichen Teil des Vermögens des Erblassers bildete und der Erblasser diese Zuwendung allen Beteiligten gegenüber, soweit er hierauf zu sprechen kam, als Erbeinsetzung bezeichnete. Die Erbeinsetzung ...