Entscheidungsstichwort (Thema)
Testament
Leitsatz (redaktionell)
Die Berufung des überlebenden Ehegatten zum alleinigen Erben schließt die Annahme einer Vor- und Nacherbfolge nicht aus.
Normenkette
BGB § 2100
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 19.05.1995; Aktenzeichen 3 T 2488/94) |
AG Würzburg (Aktenzeichen IV 1367/92) |
Tenor
I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 bis 4 gegen den Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 19. Mai 1995 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 2 bis 4 haben der Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Erblasserin ist im Alter von 90 Jahren verstorben. Sie hatte keine Kinder. Die Beteiligte zu 1 ist ihre Nichte. Der (dritte) Ehemann der Erblasserin, mit dem sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hatte, ist nachverstorben. Dessen Söhne aus erster Ehe sind die Beteiligten zu 2 bis 4.
Die Erblasserin war Alleineigentümerin eines Hausgrundstücks im Wert von 176.000 DM. Gemeinsam waren die Ehegatten Inhaber von Bank- und Sparguthaben; hiervon entfielen auf die Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes rund 92.000 DM.
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben am 29.7.1990 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, das von der Erblasserin handschriftlich geschrieben und unterschrieben sowie von ihrem Ehemann unterzeichnet wurde. Es lautet wie folgt:
Gemeinschaftliches Testament.
Wir … setzen uns gegenseitig als Erben ein. Der Überlebende darf frei verfügen, mit einer Einschränkung hinsichtlich des Grundstücks …. Dieses Grundstück vermache ich … (Erblasserin) zwar auch meinem Mann, allein nach seinem Tod soll es ohne weiteres meiner Nichte (Beteiligte zu 1) zufallen.
Von den vorhandenen Bank- u. Sparkassen Einlagen erben:
… (Neffe),
…(Beteiligte zu 1),
…(Großneffe), … jeweils DM 20.000,–
… (Beteiligter zu 2),
… (Beteiligter zu 3),
… (Beteiligter zu 4),
jeweils DM 30.000,–
evl. verbleibendes Guthaben wird zu gleichen Teilen an vorgenannte Personen aufgeteilt. Die Verteilung des übrigen Nachlaßes ist in die Hände unserer Nichte (Beteiligte zu 1) gelegt.
Nach dem Tod der Erblasserin hat das Nachlaßgericht am 11.2.1993 ihrem Ehemann einen Erbschein erteilt, der ihn als unbeschränkten Alleinerben aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments ausweist.
Die Beteiligte zu 1 hat nach dem Tod des Ehemanns der Erblasserin die Einziehung des Erbscheins vom 11.2.1993 beantragt, außerdem die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Nacherbin der Erblasserin ausweisen soll. Sie entnimmt dem gemeinschaftlichen Testament, daß der Ehemann der Erblasserin nicht Vollerbe, sondern Vorerbe gewesen sei.
Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind diesen Anträgen entgegengetreten. Sie tragen vor, es seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die Erblasserin ihrem Ehemann den Zugriff auf irgendwelche Vermögenswerte habe verwehren wollen. Eine Trennung der Vermögensmassen der Eheleute sei nicht gewollt gewesen.
Mit Beschluß vom 17.10.1994 hat das Nachlaßgericht die Anträge der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erblasserin habe zwar sicherstellen wollen, daß das aus ihrem Familienbesitz stammende Grundstück in ihrer, bzw. der Familie ihrer Nichte bleibe; von einer Vor- und Nacherbfolge sei sie aber nicht ausgegangen. Der mittestierende Ehemann habe am 25.1.1993 vor dem Nachlaßgericht erklärt, das gemeinschaftliche Testament sei so zu verstehen, daß der überlebende Ehegatte Alleinerbe und nicht etwa Vorerbe habe sein sollen.
Die Beteiligte zu 1 hat Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 19.5.1995 die Entscheidung des Nachlaßgerichts aufgehoben (Nr. 1), das Nachlaßgericht angewiesen, den Erbschein vom 11.2.1993 einzuziehen (Nr. 2a), sowie unter Berücksichtigung der Auffassung der Beschwerdekammer erneut über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zu befinden (Nr. 2b).
Gegen diese Entscheidung richten sich die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 bis 4. Sie beantragen, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben und die Entscheidung des Nachlaßgerichts wiederherzustellen. Die Beteiligte zu 1 beantragt, die weiteren Beschwerden zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weiteren Beschwerden sind zulässig. Gegen den Beschluß, durch den das Beschwerdegericht die Einziehung eines vom Nachlaßgericht erteilten Erbscheins anordnet, ist die weitere Beschwerde mit dem Ziel der Aufhebung dieses Beschlusses statthaft, solange die Erbscheinsausfertigung – wie hier – noch nicht an das Nachlaßgericht zurückgegeben wurde (vgl. Keidel/Winkler FGG 13. Aufl. § 84 Rn. 19; Palandt/Edenhofer BGB 55. Aufl. § 2361 Rn. 14). Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind als im Erbschein ausgewiesene Erben beschwerdeberechtigt (§ 29 Abs. 4, § 20 Abs. 1 FGG; vgl. Keidel/Kahl § 20 Rn. 14).
In der Sache haben die weiteren Beschwerden keinen Erfolg.
2. Das Landgericht hat ausgefü...