Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
1. Letztwillige Verfügungen, die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament getroffen haben, sind gemäß § 2270 Abs. 1 BGB wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre.
2. Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine ausdrückliche Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muß diese nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede einzelne Verfügung gesondert ermittelt werden.
3. Für das Verhältnis der Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Alleinerben gegenüber der Einsetzung des Schlusserben gibt es keine Regel, die Schlüsse auf eine bestimmte übereinstimmende Willenslage beider Ehegatten zuließe.
Normenkette
BGB §§ 133, 2270 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 16.07.1993; Aktenzeichen 16 T 4335/93) |
AG München (Aktenzeichen 64 VI 10042/92) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 16. Juli 1993 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 3 hat die den Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 79.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Erblasserin ist 1992 im Alter von 86 Jahren verstorben. Ihr Ehemann war im Jahr 1982 vorverstorben, ihr einziges Kind bereits im Jahr 1952.
Der Beteiligte zu 1 ist der Ehemann und Rechtsnachfolger einer 1993 nachverstorbenen Schwester des Ehemannes der Erblasserin; die Beteiligte zu 2 ist die Tochter einer 1982 vorverstorbenen Schwester der Erblasserin. Der Beteiligte zu 3 hatte die Erblasserin seit längerer Zeit betreut und zuletzt seit November 1991 in ihrer Wohnung gepflegt. Die Beteiligte zu 4 ist eine Schwester der Erblasserin.
Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten am 18.9.1977 ein vom Ehemann der Erblasserin handschriftlich geschriebenes und von beiden unterzeichnetes gemeinschaftliches Testament errichtet. Es lautet wie folgt:
Unser Testament
…
1. Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Der Überlebende kann über das gesamte Vermögen unter Lebenden frei verfügen.
2. Nach dem Tode des Letztlebenden von uns erhält das dann noch vorhandene Vermögen je zur Hälfte … (Schwester des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin und 1993 verstorbene Ehefrau des Be- teiligten zu 1)
… (Schwester der Erblasserin und 1982 verstor- bene Mutter der Beteiligten zu 2).
Nach dem Tode ihres Ehemannes hat die Erblasserin drei eigenhändig geschriebene und unterzeichnete Testamente errichtet:
- In einer letztwilligen Verfügung vom 20.7.1982 setzte sie ihre im gemeinschaftlichen Testament genannte Schwester als Alleinerbin ein und bestimmte unter anderem die Betei- ligte zu 2 als deren Ersatzerbin.
In einem Testament vom Juli 1988 bestimmte die Erblasserin:
Da ich nach unseren gemeinsamen Testament ohne Pflichterben, Allein Erbin bin … Bestimme ich, daß da meine liebe Schwester … nicht mehr am Leben ist, ihre Tochter … (Beteiligte zu 2) daß Erbe bekommt.
„Je”
- … (Beteiligte zu 2)
- … (nachverstorbene Ehefrau des Beteiligten zu 1)
- … (Beteiligte zu 4) mit 10 zehn Prozent
Herr … (Beteiligter zu 3) mit 15 fünfzehn Prozent bekommen.
Herr … (Beteiligter zu 3) nur, wenn er mich bis zu meinem Tod regelmäßig betreut und pflegt …
Ein im Januar 1992 errichtetes Testament lautet wie folgt:
Nach meiner Erkenntnis, kann Niemand mein Testament anzweifeln. … Herr … (Beteiligter zu 3) hat es mir mehrmals in die Hand versprochen mich bis zu meinem Ende zu versorgen und pflegen muß. Er nach Menschliche Gerechtigkeit auch sein, von mir festgesetztes Erbe erhalten. Ebenso hat „Er” immer wieder gesagt daß ich Kein-Heim wieder komme.
Gestützt auf das Testament vom Januar 1992 hat der Beteiligte zu 3 einen Alleinerbschein beantragt. Das Nachlaßgericht hat den Erbschein mit Beschluß vom 12.1.1993 antragsgemäß bewilligt und erteilt.
Mit dem Ziel, den Erbschein einzuziehen, haben die während des Verfahrens verstorbene Ehefrau des Beteiligten zu 1 sowie die Beteiligte zu 2 jeweils Beschwerde eingelegt. Sie haben ausgeführt, die Erblasserin habe nach dem Tod ihres Ehemannes infolge der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments nicht mehr frei testieren können. Zudem lasse sich dem Schriftstück vom Januar 1992 eine Alleinerbeneinsetzung des Beteiligten zu 3 nicht entnehmen. Das Nachlaßgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 16.7.1993 das Nachlaßgericht angewiesen, den dem Beteiligten zu 3 erteilten Erbschein einzuziehen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Bayerischen Obersten Landesgerichts eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3, mit der er beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben. Zur Begründung trägt er vor, Ziel des Rechtsmittels sei es, das gemeinschaftliche Testament vom 18.9.1977 „für nichtig” erklären zu lassen. Die Erblasserin habe das gemeinschaftli...