Leitsatz (amtlich)
Ein Verweisungsbeschluss gem. § 281 ZPO bindet nicht nur hinsichtlich derjenigen Zuständigkeitsfrage, derentwegen nach seinem Wortlaut verwiesen worden ist, sondern auch hinsichtlich sonstiger Zuständigkeitsfragen, soweit das verweisende Gericht die Zuständigkeit auch in dieser Hinsicht erkennbar geprüft und bejaht hat.
Normenkette
ZPO §§ 29a, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281; GVG § 23 Nr. 2a
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Aktenzeichen 2 O 570/02) |
AG Hildesheim (Aktenzeichen 40 C 209/02) |
LG München I (Aktenzeichen 3 O 16438/02) |
Tenor
Zuständig ist das LG Hildesheim.
Gründe
I. Die Klägerin hatte an die Eheleute B. in München gelegene Räume zur Benutzung als Wohnung vermietet. Die Beklagte, ein Kreditinstitut mit Sitz im Bezirk des LG Hildesheim, hatte ggü. der Klägerin für Ansprüche auf Zahlung einer Mietkaution, die der Klägerin ggü. den Eheleuten B. zustanden, in Höhe eines Betrages von 11.000 DM die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Aus dieser Bürgschaft nimmt die Klägerin die Beklagte in Anspruch. Sie hat bei dem LG München I Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.624,21 Euro zu bezahlen. Nach Rüge der örtlichen Zuständigkeit des LG München I durch die Beklagte hat die Klägerin die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Hildesheim beantragt.
Mit Beschluss vom 14.10.2002 hat sich das LG München I für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige LG Hildesheim verwiesen. Zur Begründung hat das LG München I ausgeführt, der Sitz der Beklagten liege im Bezirk des LG Hildesheim. Die Tatsache, dass die streitgegenständliche Bürgschaft als Mietkaution bestellt wurde, begründe nicht den Gerichtsstand München gem. § 29a ZPO.
Das nunmehr mit der Sache befasste LG Hildesheim wies die Parteien mit Verfügung vom 29.10.2002 darauf hin, dass es sich bei der Inanspruchnahme der Beklagten aus einer Bürgschaft für eine Wohnraummietkaution um eine Streitigkeit aus einem Mietverhältnis über Wohnraum gem. § 23 Nr. 2a GVG handele, für welche sachlich ausschließlich die AG zuständig seien, und fragte bei der Klägerin an, ob Verweisung an das AG Hildesheim beantragt werde. Auf Grund dieser gerichtlichen Verfügung beantragte die Klägerin die Verweisung des Rechtsstreits an das AG Hildesheim.
Mit Beschluss vom 19.11.2002 erklärte sich das LG Hildesheim für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das AG Hildesheim. Zur Begründung hat das LG Hildesheim im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte werde aus einer Bürgschaft für eine Wohnraummietkaution in Anspruch genommen. Es handele sich daher um eine Streitigkeit aus einem Mietverhältnis über Wohnraum gem. § 23 Nr. 2a GVG, für welche sachlich die AG ausschließlich zuständig seien. Da sich das LG München I im Beschluss vom 14.10.2002 nur für örtlich unzuständig erklärt habe, binde der Beschluss das LG Hildesheim auch nur insoweit, so dass der Rechtsstreit an das für den Sitz der Beklagten zuständige AG Hildesheim zu verweisen sei.
Mit Beschluss vom 20.1.2003 hat sich das AG Hildesheim für örtlich und sachlich unzuständig erklärt. Es hat ausgeführt, eine Zuständigkeit des AG Hildesheim sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erkennbar. Handele es sich bei der Klage aus der Bürgschaft für eine Wohnraummietkaution um eine Streitigkeit aus einem Mietverhältnis, so sei das AG München ausschließlich zuständig. Handele es sich dagegen nicht um einen mietvertraglichen Anspruch, sei gem. § 71 Abs. 1 GVG das LG Hildesheim sachlich zuständig.
Das LG Hildesheim hat die Akten zur Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem OLG München vorgelegt, das sie zuständigkeitshalber an das BayObLG weitergereicht hat.
II. Als zuständiges Gericht war das LG Hildesheim zu bestimmen. Die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dafür maßgebenden Voraussetzungen liegen vor.
1. Das BayObLG ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig.
2. Für den Rechtsstreit örtlich und sachlich zuständig ist jedenfalls auf Grund des bindenden Verweisungsbeschlusses des LG München I vom 14.10.2002 das LG Hildesheim.
a) Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht nur die Zuständigkeitsvorschriften selbst, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen zu beachten. entspr. dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, durch Anordnung der Bindung einen Zuständigkeitsstreit unter mehreren Gerichten im Interesse der beteiligten Parteien abzukürzen, geht die Bindungswirkung grundsätzlich den materiellen Zuständigkeitsregeln vor. Als zuständig ist daher dasjenige Gericht zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten bindenden Verweisungsbeschluss gelangte (vgl. BayObLGZ 1989, 235 [238]; BayObLG v. 14.11.1991 – AR 1 Z 84/91, BayObLGZ 1991, 387 [389]; v. 14.3.2000 – 4 Z AR 21/00, NJW-RR 2001, 646 [647]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 28). Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfällt nur dann, wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlt, so dass sie als ob...