Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückgewiesener Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts
Leitsatz (amtlich)
Haben zwei Parteien, die als Streitgenossen verklagt werden sollen, denselben allgemeinen Gerichtsstand, so ist für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch dann kein Raum, wenn die Möglichkeit eines Rechtsstreits gegen beide Streitgenossen gemeinsam dadurch verloren gegangen ist, dass die Klagepartei mit einem der Streitgenossen einen vom allgemeinen Gerichtsstand abweichenden, ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart hat (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 8. März 1957, I ARZ 12/57, LM Nr. 6 zu § 36 Nr. 3 ZPO).
Normenkette
EGZPO § 9; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH, prüfte den zum 31. Dezember 2015 erstellten Jahresabschluss der Antragsgegnerin zu 1), einer im Energiesektor tätigen GmbH mit Sitz in Regensburg. Der Tätigkeit lag ein durch Angebot vom 23. Mai 2016 und Annahme vom 30. Juni 2016 zustande gekommener Vertrag zugrunde. Seite 3 des Angebots enthält folgende Bestimmungen:
"Für die Durchführung des Auftrages ... sollen die als Anlage zu diesem Schreiben beigefügten 'Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften' ... maßgebend sein.
Diese Vereinbarung unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Ausschließlicher Gerichtsstand für sämtliche Ansprüche und Rechte aus und im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung ist soweit rechtlich zulässig München.
... (Schriftformabrede und salvatorische Klausel)
Diese Vereinbarung unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Ausschließlicher Gerichtsstand für sämtliche Ansprüche und Rechte aus und im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung ist München."
Die Antragsgegnerin zu 2), eine GmbH mit Sitz ebenfalls in Regensburg, verpflichtete sich schriftlich unter dem 27. Mai 2016 gegenüber der Antragstellerin, für das Honorar, das die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) aus dem Prüfauftrag zu beanspruchen hat, einzustehen und auf erstes Anfordern Zahlung zu leisten.
Weil nach Auftragsdurchführung keine Zahlung erbracht wurde, erhob die Antragstellerin unter dem 23. Dezember 2019 Klage zum Landgericht München I mit dem Antrag, die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) als Gesamtschuldnerinnen zur Zahlung zu verurteilen.
Mit Schriftsatz gleichen Datums stellte sie zum Oberlandesgericht München Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts mit der Begründung, ein gemeinsamer Gerichtsstand sei infolge der nur mit der Antragsgegnerin zu 1), nicht aber der Antragsgegnerin zu 2) getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung nicht gegeben. Der Antragsgegnerin zu 2) sei eine Verhandlung vor dem Landgericht München I zumutbar. Sie sei die Muttergesellschaft der Antragsgegnerin zu 1); ihr Geschäftsführer sei auch faktischer Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1). Daher möge das Landgericht München I als zuständiges Gericht bestimmt werden.
Das Oberlandesgericht München hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. Januar 2020 an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.
Die Antragsgegnerinnen haben sich gegen eine Gerichtsstandsbestimmung ausgesprochen. Sie sind der Meinung, die Gerichtsstandsklausel sei durch die Erklärung der Antragsgegnerin zu 1), das Angebot anzunehmen und mit dem Auftragsinhalt sowie den darin erwähnten Allgemeinen Auftragsbedingungen einverstanden zu sein, nicht in den Vertrag einbezogen worden; hierfür hätte es einer Bezugnahme auf die Gerichtsstandsklausel bedurft. Daher bestehe ein gemeinsamer Gerichtsstand. Jedenfalls könne der Antragsgegnerin zu 2) ein etwa prorogierter Gerichtsstand nicht aufgedrängt werden. Die Prorogation sei ihrem Geschäftsführer nicht bekannt gewesen. Dieser sei nicht faktischer Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1).
II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig. Das bayerische Gericht, zu dem die Antragstellerin mit Blick auf die angenommene Gerichtsstandsvereinbarung (§ 38 Abs. 1 ZPO) Klage erhoben hat, und der allgemeine Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) der Antragsgegnerin zu 2) liegen in unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Nürnberg).
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass eine wirksame Gerichtswahl im Vertragsverhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) bestritten ist. Es genügt vielmehr, dass das betreffende Vorbringen der Antragstellerin nicht offensichtlich ins Leere geht und somit einen möglichen Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Landgerichts München I bildet (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009, Xa ARZ 273/08, juris Rn. 11), während der allgemeine Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 2) beim Landgericht Regensburg besteht. Das zunächst höhere gemeinschaftliche G...