Leitsatz (amtlich)
Ablehnung der Bestimmung des zuständigen Gerichts, wenn für die Klage gegen einen Streitgenossen ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart ist und dem anderen Streitgenossen nicht zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor diesem Gericht verklagen zu lassen (hier: der andere Streitgenosse hat seinerseits bereits an anderem Ort gegengerichtete Klage erhoben).
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 38
Verfahrensgang
LG Memmingen (Aktenzeichen 3 O 191/02) |
Tenor
I. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Bestimmungsverfahrens.
III. Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird auf 34.950 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die in M. ansässige Klägerin nimmt den Beklagten zu 1) als mit der Installation und Inbetriebnahme einer Thermal-Öl-Erhitzungsanlage beauftragten Werkunternehmer und die Beklagte zu 2) als Verkäuferin dieser Anlage auf Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte zu 1) hat seine gewerbliche Niederlassung in M., die Beklagte zu 2) ihren Sitz in K. Die Klägerin hat Klage zum LG Memmingen erhoben. Die Beklagte zu 2) hat unter Hinweis auf den zwischen ihr und der Klägerin vereinbarten Gerichtsstand Karlsruhe die örtliche Unzuständigkeit des LG Memmingen gerügt. Daraufhin hat die Klägerin beim BayObLG gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt, das LG Karlsruhe als gemeinschaftliches zuständiges Gericht zu bestimmen. Der Beklagte zu 1) ist dem Antrag entgegengetreten. Die Beklagten haben ihrerseits bereits vor Erhebung der hier inmitten stehenden Klage die Klägerin aus den streitgegenständlichen Verträgen in getrennten Prozessen auf Zahlung des restlichen Werklohns (Klage des Beklagten zu 1) vor dem LG Memmingen) und auf Zahlung des Kaufpreises (Klage der Beklagten zu 2) vor dem LG Karlsruhe) verklagt.
II. Das BayObLG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen (§ 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Die für die Bestimmung in Betracht kommenden LG gehören zu einem bayerischen und einem außerbayerischen Oberlandesgerichtsbezirk. Zuerst mit der Sache befasst war das LG Memmingen.
2. Dem Antrag kann nicht entsprochen werden. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor, da für die Klage gegen die Beklagte zu 2) ein ausschließlicher Gerichtsstand in Karlsruhe vereinbart ist und es dem Beklagten zu 1) nicht zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor diesem Gericht verklagen zu lassen.
a) Der Umstand, dass die Beklagten nicht, wie es § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wörtlich voraussetzt, „verklagt werden sollen”, sondern bereits verklagt sind, steht einer Bestimmung des zuständigen Gerichts nach dieser Vorschrift nicht von vornherein entgegen (vgl. BGH NJW 1978, 321; BayObLG v. 20.4.1993 – 1Z AR 5/93, NJW-RR 1994, 890; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 316). Auch in Fällen eines prorogierten ausschließlichen Gerichtsstands ist die Bestimmung nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. BGH v. 16.2.1984 – I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155 [159] = MDR 1984, 555). Als zuständig kann dann jedoch nur das mit einem Streitgenossen als ausschließlich zuständig vereinbarte Gericht bestimmt werden (BGH v. 19.3.1987 – I ARZ 903/86, MDR 1987, 735 = NJW 1988, 646 [647]). Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Senats, dass es den anderen Streitgenossen unter Berücksichtigung der mit der Prorogation verfolgten Zwecke zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor dem vereinbarten Gericht verklagen zu lassen (BayObLG BayObLGZ 1999, 75; BayObLG v. 24.3.1999 – 1Z AR 15/99, NJW-RR 2000, 1592).
b) Nach dem insoweit maßgeblichen Sachvortrag der Klägerin ist im Verhältnis zur Beklagten zu 2) – beide Parteien sind Kaufleute kraft Rechtsform (§ 6 HGB) – der Gerichtsstand Karlsruhe vereinbart (§ 38 ZPO). Dabei kann dahinstehen, welche der in den Akten befindlichen unterschiedlichen Fassungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 2) dem Vertragsverhältnis zugrunde zu legen ist, da die Klägerin nach beiden Fassungen an den vereinbarten Gerichtsstand Karlsruhe gebunden ist. Die Gerichtsstandsklausel in Ziff. IX der Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten zu 2), wonach die Klage am Hauptsitz des Lieferers (Karlsruhe) zu erheben ist, ist für die Klägerin ausschließlicher Natur; dies folgt im Umkehrschluss daraus, dass abweichend hiervon der Lieferer auch berechtigt ist, am Hauptsitz des Bestellers zu klagen. Sollte nicht diese Klausel, sondern Ziff. XI der Allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen der Beklagten zu 2), wonach Gerichtsstand Karlsruhe oder nach Wahl des Lieferers ein allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand des Bestellers ist, Vertragsbestandteil geworden sein, ergäbe sich i.E. nichts anderes. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung, die einem Vertragspartner das Recht einräumt, zwischen mehreren örtlichen Zuständigkeiten zu wählen, gilt grundsätzlich auch dann, wenn der wahlberechtigte Vertragspartner nicht Kläger, sondern Beklagter ist (BGH v...