Leitsatz (amtlich)

Will die Revision im Falle einer Erkrankung des Angeklagten eine unrichtige Beurteilung der Entschuldigung im Sinne von § 329 StPO geltend machen, hat sie den Entschuldigungsgrund der Erkrankung so hinreichend darzulegen, dass dem Revisionsgericht allein aufgrund des Vorbringens die Bewertung einer Krankheit als Entschuldigungsgrund ermöglicht wird. Dazu ist die Art der Erkrankung unter Angabe der Symptomatik in der Rechtfertigungsschrift detailliert darzustellen. Der mit einem ärztlichen Attest einer Arbeitsunfähigkeit unterlegte Vortrag, der Beschwerdeführer wäre erkrankungsbedingt verhandlungsunfähig gewesen, genügt nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

Will die Revision die Verletzung der Aufklärungspflicht rügen und beanstanden, dass das Berufungsgericht trotz vorliegender Anhaltspunkte für einen bestimmten Entschuldigungssachverhalt diesem nicht in dem gebotenen Maße nachgegangen ist und die Aufklärung das Vorliegen eines genügenden Entschuldigungsgrundes ergeben hätte, ist darzulegen, welcher konkrete Umstand aufgeklärt werden sollte, welches Beweismittel benutzt werden sollte, warum sich diese Aufklärung aufdrängte und was sie zugunsten des Beschwerdeführers ergeben hätte

 

Normenkette

StPO § 329 Abs. 1 S. 1, § 344 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 02.12.2022; Aktenzeichen 8 Ns 997 Js 804/22)

 

Tenor

  • I.

    Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02. Dezember 2022 wird als unbegründet verworfen.

  • II.

    Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

A.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Berufung des vom Amtsgericht Erlangen wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilten Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil er trotz ordnungsgemäßer Ladung in dem Termin zur Hauptverhandlung am 2. Dezember 2022 ausgeblieben war. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten erweist sich als zulässig, jedoch unbegründet.

I. Die Verfahrensrüge der Verletzung von § 329 StPO erweist sich als unzulässig.

1. Die Verwerfung der Berufung nach § 329 StPO in der Berufungsinstanz setzt voraus, dass das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich der Angeklagte selbst entschuldigt hat. Es genügt vielmehr, dass eine beim Vorhandensein von Anhaltspunkten von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass das Fernbleiben des Angeklagten genügend entschuldigt ist (BGHSt 17, 391 zitiert nach juris Rn. 15; KK-Paul, 9. Aufl., § 329 Rn. 7 ff., 14 m.w.N.). Liegen in der Berufungshauptverhandlung Anhaltspunkte für einen Entschuldigungsgrund vor, hat das Gericht im Freibeweis zu prüfen, ob er zutrifft (BGHSt 17, 391; BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 - 202 StRR 29/20 -, juris Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2000 - 5 StRR 259/00 -, juris Rn. 9) und das Ergebnis der Abklärung im Urteil darzulegen. Etwa vorgebrachte Entschuldigungsgründe und sonstige als Entschuldigung in Betracht kommende Tatsachen müssen in den Urteilsgründen wiedergegeben und gewürdigt werden (OLG Dresden, Beschluss vom 31. Januar 2019 - 2 OLG 22 Ss 699/18 -, juris Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Februar 1999 - 2 Ss 121/99 -, juris Rn. 15 m.w.N.). Das folgt schon daraus, dass das Revisionsgericht bei der Prüfung der Frage, ob das Berufungsgericht die in § 329 StPO enthaltenen Rechtsbegriffe verkannt hat, an die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Verwerfungsurteil gebunden ist. Es darf sie weder in Frage stellen noch im Freibeweisverfahren ergänzen (BGHSt 28, 384).

Eine Erkrankung entschuldigt das Ausbleiben des Angeklagten bereits dann, wenn ihm nach der Art und den Auswirkungen seiner Krankheit die Fahrt zum Verhandlungsort und die Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zumutbar sind; des Nachweises einer Verhandlungsunfähigkeit bedarf es nicht (BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 - 202 StRR 29/20 -, juris Rn. 8; BayObLG, Beschluss vom 6. November 2002 - 5 StRR 279/02 -, juris Rn. 5; OLG München, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 5 OLG 15 Ss 173/17 -, juris Rn. 13 m.w.N.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. Januar 2022 - 1 OLG 53 Ss-OWi 586/21 -, juris Rn. 17 m.w.N. zu § 74 Abs. 2 OWiG; KK-Paul a.a.O. Rn. 10 m.w.N.).

Ein ärztliches Attest, das ohne Diagnose lediglich eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, wäre in der Berufungshauptverhandlung nicht ungeeignet, einen Anhalt für eine Entschuldigung zu erbringen (OLG München, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 5 OLG 15 Ss 173/17 -, juris Rn. 16; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2013 - 3 Ss 20/13 -, juris Rn. 10; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 30. Januar 2007 - 1 Ss 372/06 -, juris Rn. 12 zu § 74 Abs. 2 OWiG; KK-Paul a.a.O. Rn. 9). Auch könnte bereits die bloße Mitteilung der Erkrankung im Einzelfal...

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