Entscheidungsstichwort (Thema)
Adoptionsverfahren, hier: Persönliche Anhörung des Stiefvaters, der Mutter und des anzunehmenden Minderjährigen. Adoptionsverfahren; hier: Persönliche Anhörung des Stiefvaters, der Mutter und des anzunehmenden Minderjährigen
Leitsatz (redaktionell)
1. Das vom Stiefvater beantragte Adoptionsverfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, wenn das 11jährige zu adoptierende Kind weder beim Amtsgericht noch beim Landgericht angehört wurde und die Adoption wegen des Fehlens eines Eltern-Kind-Verhältnisses abgelehnt wurde.
2. Das Vormundschaftsgericht darf von der Anhörung des anzunehmenden Kindes nicht deshalb absehen, weil dieses beim Jugendamt zur Vorbereitung eines sozialpädagogischen Gutachtens persönlich angehört wurde.
3. Zur Erforderlichkeit, die Mutter und den adoptierungswilligen Stiefvater persönlich anzuhören.
Normenkette
FGG §§ 12, 55b, 55c, 55d; BGB § 1741; FGG § 56d
Verfahrensgang
LG Amberg (Beschluss vom 18.02.1993; Aktenzeichen 32 T 179/93) |
AG Amberg (Aktenzeichen 1 XVI 13/92) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Amberg vom 18. Februar 1993 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Amberg zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte zu 1 hat mit notariell beurkundeter Erklärung vom 10.8.1992 beim Vormundschaftsgericht beantragt, die am 27.3.1982 nichtehelich geborene Tochter der Beteiligten zu 2, mit der er seit 7.8.1992 in dritter Ehe verheiratet ist, als sein Kind anzunehmen. Hierzu hat die Beteiligte zu 2 als Mutter und gesetzliche Vertreterin des Kindes sowie als Ehefrau des Annehmenden ihre Einwilligung erklärt.
Das Vormundschaftsgericht hat nach Einholung eines sozialpädagogischen Gutachtens durch das Kreisjugendamt sowie eines Führungszeugnisses für den Beteiligten zu 1 mit Beschluß vom 28.1.1993 den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ablehnung sei aus Gründen des Kindeswohls geboten. Die Vorstrafen des Beteiligten zu 1, der derzeit eine einjährige Freiheitsstrafe wegen Betruges verbüße, sowie die kurze Dauer seiner Ehe mit der Mutter des Kindes ließen keine hinreichende Sicherheit für das Entstehen einer Vater-Kind-Beziehung erkennen. Die gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluß vom 18.2.1993 zurückgewiesen. Hiergegen haben die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 weitere Beschwerde eingelegt. Sie rügen u.a., daß das zu adoptierende Kind vom Landgericht nicht angehört wurde.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Es sei noch nicht zu erwarten, daß zwischen dem Beteiligten zu 1 und dem Mädchen ein Eltern-Kind-Verhältnis entstehe. Die Beschwerdekammer folge dem vom Vormundschaftsgericht eingeholten sozialpädagogischen Bericht. Eine persönliche Anhörung des Mädchens sei nicht geboten. Der Sozialpädagoge habe berichtet, das Mädchen zeige sich im Gespräch sehr offen und stelle ihre Sympathie für den Stiefvater überzeugend dar. Sie sei mit einer Adoption einverstanden, weil sie „ihn unheimlich gern habe” und er sich um sie kümmere.
2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 550 ZPO), weil sie auf einer Verletzung des Verfahrensrechts beruht. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, weil weder das Amtsgericht noch das Landgericht das Mädchen persönlich angehört haben (§§ 55 c, 50 b Abs. 1, Abs. 3 FGG), und weil von einer persönlichen Anhörung der sorgeberechtigten Mutter sowie des Stiefvaters (§ 12 FGG) zu Unrecht abgesehen wurde.
a) Um festzustellen, ob das Vormundschaftsgericht die wirksam beantragte Annahme als Kind (§§ 1752, 1750 Abs. 1, § 1746 Abs. 1 Satz 2, § 1747 Abs. 2 Satz 1, § 1749 Abs. 2 BGB) mit Recht als dem Wohl des Kindes widersprechend abgelehnt hat (§ 1741 Abs. 1 BGB), muß die Beschwerdekammer den Sachverhalt im Rahmen der Amtsermittlung aufklären (§ 12 FGG; vgl. BGH NJW-RR 1991, 515/516; BayObLGZ 1991, 323/329). Zwar entscheiden die Richter der Tatsacheninstanzen nach der Lage des Einzelfalls nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen über die Art und den Umfang der Ermittlungen (BayObLGZ 1979, 256/261 und ständige Rechtsprechung). Dieses Ermessen ist aber im Verfahren über die Annahme eines Kindes durch § 55 c, § 50 b Abs. 1, 3 FGG eingeschränkt. Das Gericht kann sich in einem solchen Verfahren eine hinreichende Beurteilungsgrundlage in der Regel erst dann verschaffen, wenn es durch die persönliche Anhörung der Minderjährigen einen unmittelbaren persönlichen Eindruck erhält; denn für das Bestehen oder die Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Beteiligten kommt es wesentlich auf ihre inneren Bindungen, Neigungen u...