Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammensetzung des Aufsichtsrats

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Konzernvermutung im Mitbestimmungsrecht kann widerlegt sein, wenn keine leitende Tätigkeit der Holding feststellbar ist, die Vorstandsmitglieder der Holding nicht in Vorstand oder Aufsichtsrat der beherrschten Unternehmen vertreten sind und wenn Gegenstand des Unternehmens des herrschenden Unternehmens lediglich die Funktion einer vermögensverwaltenden Holding ist.

2. § 5 Abs. 3 MitbestG setzt voraus, daß an der Spitze des Konzerns ein Unternehmen steht. Dies kann auch eine natürliche Person sein, die nach den Umständen des Einzelfalls eine beherrschende Funktion ausübt.

 

Normenkette

AktG § 18 Abs. 1; MitbestG § 5 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 27.09.2000; Aktenzeichen 21 O 13734/94)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 27. September 2000 aufgehoben.

II. Der Antrag auf Feststellung, daß bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu bilden ist, wird abgelehnt.

III. Der Geschäftswert wird auf 250.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin, eine Gewerkschaft, beantragt festzustellen, daß bei der Antragsgegnerin, einer in der Form einer Aktiengesellschaft geführten Holding, ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 gebildet werden müsse. Die Antragsgegnerin beschäftigt keine Arbeitnehmer, hat aber Beteiligungen an Gesellschaften, die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Diesen Antrag wies das Landgericht am 23.8.1996 zurück. Diese Entscheidung hat der Senat mit Beschluß vom 24.3.1998 (BayObLGZ 1998, 85 ff.), auf dessen Inhalt zur Ergänzung des Sachverhalts verwiesen wird, aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Nach der Durchführung weiterer Ermittlungen hat das Landgericht am 27.9.2000 festgestellt, daß bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu bilden ist. Gegen diesen am 21.10.2000 im Bundesanzeiger veröffentlichten Beschluß wendet sich die am 30.10.2000 eingegangene sofortige Beschwerde des Vorstands der Antragsgegnerin.

Zu den Beteiligungsverhältnissen an der Antragsgegnerin, der X Bau AG, der R. AG, der S. AG und der T. AG und zu den Aufsichtsrats- und Vorstandsmandaten der Familie X. wird im Grundsatz auf den angefochtenen Beschluß verwiesen. Jedoch sind inzwischen folgende Änderungen eingetreten:

Im Jahr 2000 wurde die R. AG durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf die X. Bau AG verschmolzen.

Mit Wirkung zum 31.12.2000 ist B. als Mitglied der Aufsichtsräte der X. Bau AG und der T. AG ausgeschieden. Mit Wirkung ab 20.1.2001 hat A. seine Aufsichtsratsmandate bei der X. Bau AG, der S. AG und der T. AG niedergelegt.

Mit Wirkung ab 31.1.2001 haben X. und B. ihre Ämter als Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin niedergelegt.

Mit Rückwirkung auf den 1.1.2001 wurde die S. AG auf die X. Bau AG verschmolzen.

Hinsichtlich der Aktionäre der Antragsgegnerin, der Beteiligung der Antragsgegnerin an den anderen Gesellschaften sowie der personellen Verflechtungen der Leitungsgremien der beteiligten Gesellschaften ergibt sich daher nunmehr folgendes Bild:

Die Antragsgegnerin befindet sich vollständig im Besitz der Familie X.

X. hält ca. 26 % der Aktien der Antragsgegnerin. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der X. Bau AG und der T. AG. Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin gehört er nicht (mehr) an.

B. ist ebenfalls Aktionär der Antragsgegnerin, aber nicht Mitglied in deren Vorstand und Aufsichtsrat. Er gehört allenfalls noch dem Aufsichtsrat der X. Bau AG an.

A. ist Aktionär der Antragsgegnerin und deren alleiniger Vorstand. Den Leitungsgremien der X. Bau AG und der T. AG gehört er nicht (mehr) an.

Die übrigen Mitglieder der Familie X., die an der Antragsgegnerin beteiligt sind, sind nur in deren Aufsichtsrat vertreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die sofortige Beschwerde (§ 99 Abs. 3 Satz 2 AktG) ist zulässig, insbesondere ist sie binnen zwei Wochen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FGG) nach Bekanntmachung des landgerichtlichen Beschlusses im Bundesanzeiger (§ 99 Abs. 4 Satz 4 AktG) eingelegt. Die Beschwerdeberechtigung des Vorstands folgt aus § 99 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 98 Abs. 2 Nr. 1 AktG.

Das Rechtsmittel hat auch Erfolg.

2. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

a) Gemäß § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 MitbestG seien die Arbeitnehmer mitbestimmungsberechtigt in Unternehmen, die in der Rechtsform einer GmbH oder Aktiengesellschaft betrieben werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG) und die in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG). Dabei würden gemäß § 5 Abs. 1 MitbestG einem Unternehmen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, wenn es herrschendes Unternehmen eines Konzernes sei (§ 18 Abs. 1 AktG), die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen zugerechnet. Ob das herrschende Unternehmen selbst Arbeitnehmer beschäftige, sei ohne Be...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge