Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 23.08.1996; Aktenzeichen 21 O 13734/94) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 23. August 1996 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 500.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin, eine Gewerkschaft, hat beantragt festzustellen, daß bei der Antragsgegnerin, einer in Form einer Aktiengesellschaft geführten Holding, ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 gebildet werden muß. Diesen Antrag hat das Landgericht mit Beschluß vom 23.8.1996 zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde der Antragstellerin zugestellt und im Bundesanzeiger veröffentlicht. Gegen den Beschluß des Landgerichts hat die Antragstellerin mit am 5.9.1996 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Feststellungsantrag weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist von folgenden gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen auszugehen:
a) Die Antragsgegnerin ist aus der früheren X Holding GmbH hervorgegangen. Diese wurde durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 18.7.1995 formwechselnd in eine Aktiengesellschaft, die Antragsgegnerin, umgewandelt. Die Umwandlung ist seit dem 4.4.1996 im Handelsregister eingetragen.
Die frühere X Holding GmbH ist am 10.12.1993 mit einem Stammkapital von 157.522.000 DM gegründet worden. Von den Geschäftsanteilen hielten X 24,99 %, seine Frau 9,07 %, A, B und C je 17,06 %, die D Verwaltungs-AG 7,85 % und die E Holding AG 6,93 %. Die Stammeinlagen wurden im wesentlichen durch Sacheinlagen in Form der Einbringung von Mitgliedschaftsrechten (Beteiligungen) an anderen Gesellschaften erbracht. Dadurch erlangte die X Holding GmbH den Mehrheitsbesitz im Sinne von § 16 Abs. 1 AktG an folgenden Unternehmen:
(1) an der X Bau AG:
Vorstandsvorsitzender war X.
(2) an der R AG:
X und B waren Mitglieder des Aufsichtsrats.
(3) an der S AG:
Aufsichtsratsvorsitzender war X; A war Mitglied des Aufsichtsrats.
(4) an der T AG:
X war Vorsitzender des Aufsichtsrats; A war Mitglied des Aufsichtsrats.
Diese vier Unternehmen beschäftigten im Jahr 1993 zusammen über 40 000 Arbeitnehmer.
Nach § 2 Abs. 1 der Satzung der X Holding GmbH war Gegenstand des Unternehmens der Erwerb von Gesellschaften, die Beteiligung an solchen und deren Verwaltung, insbesondere die Ausübung sämtlicher Funktionen einer Holding Gesellschaft.
b) Die Satzung der aus der GmbH umgewandelten X Holding AG (Antragsgegnerin) lautet auszugsweise:
„§ 2
Gegenstand des Unternehmens ist
- die Funktion einer reinen vermögensverwaltenden HOLDING, welche derzeit selbst keine Arbeitnehmer bzw. Mitarbeiter beschäftigt.
- Späterer Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb von Gesellschaften, die Beteiligung an solchen und je nach Bedarf deren Verwaltung, Kontrolle, Führung, insbesondere die Ausübung sämtlicher Funktionen einer Holding-Gesellschaft.
- Die Gesellschaft kann Unternehmen erwerben, sich an solchen beteiligen, insbesondere auch die Komplementärstellung in einer Kommanditgesellschaft übernehmen, sowie alle Rechtsgeschäfte vornehmen, die im Interesse der Gesellschaft liegen.
- Die Gesellschaft ist berechtigt, Zweigniederlassungen im In- und Ausland zu errichten.”
c) Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Antrag sei unbegründet. Ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 sei bei der Antragsgegnerin nicht zu bilden, weil weder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 MitbestG vorlägen, noch die des § 5 Abs. 3 MitbestG.
(1) Die X Holding GmbH habe zwar für das Jahr 1994 einen Konzernabschluß aufgestellt, die Holding AG übe aber über die vier Unternehmen, an denen sie mehrheitlich beteiligt sei, keine einheitliche Leitung aus. Allerdings sei die Zurechnung der Arbeitnehmer der vier Unternehmen nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Holding selbst keine Arbeitnehmer beschäftige. Die X Bau AG, die R AG und die S AG stünden unmittelbar im Mehrheitsbesitz der Holding. Die T AG stehe mittelbar in deren Mehrheitsbesitz, da sie über die X Industriebeteiligungen GmbH über 53,6 % des Aktienkapitals verfüge. Gemäß § 17 Abs. 2 Aktiengesetz werde daher vermutet, daß diese vier Gesellschaften von der Holding AG abhängig seien, wobei es für die Frage eines mitbestimmten Aufsichtsrats bei der Holding ohne Bedeutung sei, daß bei den vier Unternehmen bereits jeweils schon ein mitbestimmter Aufsichtsrat bestehe. Die gesetzliche Vermutung knüpfe vor allem an die Möglichkeit an, aufgrund der Stimmrechtsmehrheit Aufsichtsrat und Vorstand zu besetzen. Zur Widerlegung dieser Vermutung reiche es nicht aus, daß dargetan werde, ein beherrschender Einfluß werde nicht ausgeübt; vielmehr bedürfte e...