Leitsatz (amtlich)
1. Der Betrieb eines Pilslokals mit Speisegaststätte (Pizzeria) stört bei typisierender Betrachtungsweise mehr als der Betrieb eines Ladens. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft eine weitere Gaststätte vorhanden ist.
2. Der wegen zweckbestimmungswidriger Nutzung eines Teileigentums bestehende Unterlassungsanspruch ist nicht schon deshalb verwirkt, weil sich ein anderer Teileigentümer, der sein Eigentum in ähnlicher Weise zweckbestimmungswidrig nutzt, erfolgreich auf Verwirkung berufen hat.
Normenkette
BGB §§ 242, 1004 Abs. 1; WEG § 10 Abs. 1 S. 2, § 15 Abs. 3
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 1 T 5020/02) |
AG München (Aktenzeichen 481 UR II 673/01 WEG) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG München I vom 16.12.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegnerin gehört ein im Erdgeschoss gelegenes Teileigentum (Nr. 67), das in der Teilungserklärung vom 14.5.1976 als „Laden” bezeichnet ist. Bereits zum Zeitpunkt der Errichtung der Teilungserklärung wurde dieses Teileigentum als Gaststätte genutzt. Im Jahr 1981 übernahmen die Antragsgegnerin und ihr Ehemann zunächst die Räume in Untermiete zum Betrieb eines Pilslokals. Im Mietvertrag war das Objekt beschrieben als Laden mit Nebenräumen und einer Toilette. Sie führten im Jahr 1982 Um- und Ausbauarbeiten durch, obwohl die Antragsteller, die sich in einer Eigentümerversammlung vom 21.7.1981 gegen die Nutzungsänderung ausgesprochen hatten, gegen die damaligen Teileigentümer eine einstweilige Anordnung auf Unterlassung der Umbauarbeiten erwirkt hatten. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 1.7.1982 untersagte das AG den Rechtsvorgängern der Antragsgegnerin, die Gaststätte selbst zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen. Eine Klage der Rechtsvorgänger gegen ihre Mieter sowie die Antragsgegnerin und deren Ehemann als Untermieter auf Räumung und Herausgabe des Teileigentums blieb jedoch erfolglos.
Die Antragsgegnerin erwarb das Teileigentum im Jahr 1991. Im Kaufvertrag ist festgehalten, dem Erwerber sei bekannt, dass eine Genehmigung der Eigentümergemeinschaft zur Nutzung des Teileigentums als Gaststätte nicht vorliegt. Die Antragsgegnerin vermietete die Räume mit Vertrag vom 27./28.2.1991 und 2.5.2000 zum Betrieb einer Gaststätte an ihren Ehemann, der seinerseits die Räume am 27.4.2000 als Pilslokal und Speisegaststätte für die Dauer von fünf Jahren mit einer Verlängerungsoption unterverpachtete.
Die Antragsteller fassten in der Eigentümerversammlung vom 13.7.2000 folgenden Beschluss: Der Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, den Eigentümer der Einheit Nr. 2, laut Teilungserklärung Herrn S. aufzufordern, die Nutzung des Restaurants … zum 31.12.2000 zu beenden und (die Einheit) nur noch als Laden, wie in der Teilungserklärung eingetragen, zu nutzen. Wird dieser Aufforderung zum 31.12.2000 nicht Folge geleistet, wird der Verwalter beauftragt und bevollmächtigt, einen Rechtsanwalt zu beauftragen und bei Gericht eine Nutzung entspr.der Teilungserklärung zu verlangen.
Dieser Beschluss, der in einer weiteren Versammlung vom 31.5.2001 bestätigt wurde, ist bestandskräftig.
Die Antragsteller haben beim AG beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, es in dem im Aufteilungsplan bezeichneten Laden zu unterlassen, eine Gaststätte zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen. Das AG hat mit Beschluss vom 22.2.2002 der Antragsgegnerin untersagt, ihr Teileigentum als Gaststätte zu nutzen oder nutzen zu lassen, sowie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld angedroht. Das LG hat die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 16.12.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist erfolglos.
1. Das LG hat ausgeführt: Eine Unterlassungspflicht ergebe sich nicht bereits aus den bestandskräftigen Eigentümerbeschlüssen vom 13.7.2000 und 31.5.201. Diese seien nicht rechtsgestaltend, sondern gingen von einem bestehenden Unterlassungsanspruch aus. Auf dessen Grundlage beauftragten und bevollmächtigten sie den Verwalter, die notwendigen Maßnahmen zur Durchsetzung des behaupteten Anspruchs zu ergreifen.
Der Unterlassungsanspruch folge aus § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 BGB. Die Bezeichnung des Teileigentums in der Teilungserklärung als „Laden” sei eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Für die Auslegung der Teilungserklärung sei es nicht erheblich, dass der teilende Eigentümer die Räume zwar als Laden bezeichnet, tatsächlich aber seinerzeit schon als Gaststätte verpachtet gehabt hätte. Eine Gaststätte lasse sich nicht mit einem Laden gleichsetzen. ...