Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostensache
Leitsatz (amtlich)
Strebt ein Beteiligter im Erbscheinsverfahren auf der Grundlage einer letztwilligen Verfügung die Erbenstellung zu dem Bruchteil an, der ihm auch als Pflichtteil zusteht, bemißt sich der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens nach dem Wert der Rechtsstellung, die über den Pflichtteilsanspruch hinaus mit der Stellung als Miterbe verbunden ist. Kommt ihr im Hinblick auf die Zusammensetzung des Nachlasses ein selbständiger wirtschaftlicher Wert zu, so kann dieser geschätzt werden, wenn hierfür ausreichende Anhaltspunkte vorhanden sind.
Normenkette
KostO § 30
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 10.04.2000; Aktenzeichen 5 T 362/99) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 10. April 2000 wird aufgehoben.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 25 000 DM festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1. Der Erblasser hat testamentarisch seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 1, und seiner Tochter, der Beteiligten zu 3, jeweils ihren „gesetzlichen Anteil” zugewandt, seiner anderen Tochter, der Beteiligten zu 2, den „gesetzlichen Pflichtteil”. Das Nachlaßgericht kündigte mit Vorbescheid vom 7.6.1999 die Erteilung eines Erbscheins an, wonach die Beteiligte zu 1 zu 2/3 und die Beteiligte zu 3 zu 1/3 Erben sein sollten. Der Beteiligten zu 2 stehe nur ihr Pflichtteil in Höhe von 1/8 des Nachlaßwertes zu. Das Testament vom 10.3.1997 sei dahingehend auszulegen, daß sie nicht zur Erbin eingesetzt sei. Hiergegen legte die Beteiligte zu 2 Beschwerde ein, mit der sie eine Erbenstellung zu 1/8 erstrebte. Das Landgericht wies die Beschwerde zurück.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 beantragte, den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf DM 341 789,22, hilfsweise auf DM 2 734 313,75 (Wert des Nachlasses nach Angaben der Beteiligten zu 2) festzusetzen. Der weitere Beteiligte vertrat die Auffassung, es sei auf den Wert des 1/8-Anteils am Reinnachlaß abzustellen.
Mit Beschluß vom 10.4.2000 hat das Landgericht den Geschäftswert auf 5 000 DM festgesetzt. Da die Beteiligte zu 2 nur statt eines Pflichtteils von 1/8 eine Erbenstellung zu 1/8 angestrebt habe, habe sie kein wirtschaftliches Interesse verfolgt. Unter Anwendung des § 30 Abs. 2 KostO sei daher der dort genannte Regelwert anzunehmen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu I, mit der er eine Wertfestsetzung entsprechend seinem ursprünglichen Antrag erreichen will.
II.
1. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 ist zulässig (§ 31 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 KostO, § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Gegen die Geschäftswertfestsetzung, die das Landgericht für das Beschwerdeverfahren vornimmt, findet gemäß § 31 Abs. 3 KostO die unbefristete Erstbeschwerde statt (BayObLGZ 1986, 489). Der Verfahrensbevollmächtigte kann gegen die seiner Auffassung nach zu niedrige Festsetzung im eigenen Namen Beschwerde einlegen (§ 9 Abs. 2 BRAGO).
2. Das Rechtsmittel führt zur Abänderung des durch das Landgericht festgesetzten Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren.
a) Nach § 131 Abs. 2 KostO bestimmt sich der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens in allen Fällen nach § 30 KostO. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zu denen auch Nachlaßsachen gehören, ist er gemäß § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen zu bestimmen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung vorliegen. Dabei kommt es vor allem auf das mit der Beschwerde verfolgte wirtschaftliche Interesse, die Bedeutung der Beschwerde für die Beteiligten sowie auf die sonstigen Umstände des Einzelfalles an. Die für den ersten Rechtszug maßgeblichen Vorschriften der Kostenordnung können als Anhaltspunkt für die Schätzung herangezogen werden, sind jedoch nicht unmittelbar anzuwenden. In Erbscheinssachen kann dabei der Reinnachlaßwert im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 107 Abs. 2 Satz 1 KostO) als Anhaltspunkt in Betracht kommen (BayObLGZ 1986, 489/491). Jedoch sind Pflichtteilsansprüche, auch von Beteiligten, die ihr Erbrecht bezeugt haben wollen, als Nachlaßverbindlichkeiten in Abzug zu bringen (BayObLGZ 1996, 125/128).
b) Im vorliegenden Fall ging es der Beschwerdeführerin nicht um die Frage, ob ihr eine (wirtschaftliche) Beteiligung am Nachlaß zu 1/8 als solche zusteht, sondern darum, ob sie zu diesem Bruchteil Miterbin oder lediglich Pflichtteilsberechtigte ist. Daher kann dieser Bruchteil des Reinnachlasses nicht dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin gleichgesetzt werden. Maßgebend ist vielmehr, welcher wirtschaftliche Wert den rechtlichen Befugnissen zukommt, die zwar einem Miterben, nicht aber einem Pflichtteilsberechtigten zustehen.
Die Erbenstellung unterscheidet sich von der Pflichtteilsberechtigung nicht nur hinsichtlich hinsichtlich solcher Rechtspositionen, die keinen Vermögenswert haben und deshalb in die Berechnung des Pflichtteils nicht einfließen. Während der Pflichtteilsberechtigte nur einen schuldrechtlichen Ansp...