Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschluss und Verstoß gegen rechtliches Gehör - fehlende Bindungswirkung

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2 S. 2; EGZPO § 9; FamFG § 112 Nr. 1, §§ 113, 231 Abs. 1, § 232 Abs. 3

 

Tenor

Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen nicht vor.

 

Gründe

I. Der im Bezirk des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. wohnhafte Antragsteller ist gemäß rechtskräftigem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wunsiedel vom 22. Mai 2003 zur Zahlung von Unterhalt für seinen am 23. Januar 1999 geborenen Sohn, den Antragsgegner, in Höhe von 100% des Regelunterhalts der jeweiligen Altersstufe verpflichtet.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 19. Dezember 2019 wandte er sich an das Amtsgericht Neumarkt i.d. OPf. mit den Anträgen, das Versäumnisurteil abzuändern und festzustellen, dass er dem Antragsgegner keinen Unterhalt mehr schulde, sowie den Antragsgegner zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils an ihn, den Antragsteller, herauszugeben. Er behauptete, beim Antragsgegner bestehe kein Unterhaltsbedarf mehr. Der Antragsgegner habe seine Schulausbildung im Juli 2019 abgeschlossen und sei verpflichtet, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Zudem befinde sich der Antragsgegner nach Kenntnis des Antragstellers in einer Klinik für junge Drogenabhängige im Bezirk des angegangenen Gerichts; dort werde er vollumfänglich versorgt. Die titulierten Ansprüche seien verwirkt, denn nach der Einstellung der monatlichen Unterhaltszahlungen zum Januar 2017 habe der Antragsgegner erstmals mit Anwaltsschreiben vom September/Oktober 2019 Zahlung rückständigen Unterhalts verlangt. Zur Verhinderung einer Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel sei dieser herauszugeben.

Der sachbearbeitende Richter ließ den Antrag an den im Antragsschriftsatz bezeichneten Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zustellen und erteilte mit Verfügung vom 20. Februar 2020 den Hinweis, dass das angegangene Gericht örtlich nicht zuständig sei. Der Antragsgegner sei bereits im Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht in die im Bezirk des Familiengerichts Nördlingen liegende Justizvollzugsanstalt Niederschönenfeld verlegt worden, weshalb dieses Gericht zuständig sein dürfte. Es fragte an, ob Verweisungsantrag gestellt werde.

Die dem Antragsgegner gesetzte Frist zur Stellungnahme auf die Antragsschrift verlängerte das Gericht auf dessen Ersuchen bis zum 14. April 2020, verbunden mit dem Zusatz, es werde "aber um Beantwortung von Ziffer 4 der Verfügung v. 20.02.20" - dies betrifft den gerichtlichen Hinweis zur Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts - gebeten. Hierauf antwortete der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 23. März 2020, es liege offensichtlich ein Versehen vor, denn sein Mandant sei der Antragsgegner.

Mit Beschluss vom 30. März 2020 hat sich das Amtsgericht Neumarkt i.d. OPf. für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren auf den Verweisungsantrag des Antragstellers vom 27. März 2020 an das Amtsgericht Nördlingen - Familiengericht - verwiesen. Die Entscheidung beruhe auf §§ 112 Nr. 1, 113, 231 Abs. 1, 232 Abs. 3 FamFG, §§ 12 ff, 281 Abs. 1 ZPO. Die Zuständigkeit bestimme sich in dieser Sache nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung mit der Maßgabe, dass der allgemeine Gerichtsstand des Antragsgegners am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts bestehe. Dieser liege im Bezirk desjenigen Familiengerichts, an welches das Verfahren verwiesen werde.

Der Beschluss ist den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt worden, dem Antragsgegner unter gleichzeitiger Übersendung einer Abschrift des Verweisungsantrags vom 27. März 2020.

Das Amtsgericht Nördlingen hat durch telefonische Rückfrage bei der Justizvollzugsanstalt in Erfahrung gebracht, dass der Antragsgegner dort eine Vollzugsstrafe verbüßt, voraussichtlich noch bis Juli 2021, und behördlich mit seinem Wohnsitz in der Justizvollzugsanstalt gemeldet ist. Mit Verfügung vom 16. April 2020 hat es die gerichtliche Akte unter Ablehnung der Verfahrensübernahme an das verweisende Gericht zurückgesandt mit dem Bemerken, der unfreiwillige Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt begründe regelmäßig keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Dies gelte vorliegend umso mehr, als der Antragsgegner - gemäß seiner Einlassung in dem an das Amtsgericht Nördlingen gerichteten Anwaltsschriftsatz vom 14. April 2020 - eine zeitnahe Rückstellung des Strafvollzugs und die Fortführung der Therapie außerhalb des Gerichtsbezirks des Amtsgerichts Nördlingen anstrebe.

Das Amtsgericht Neumarkt i.d. OPf. hat die Akte mit Verfügung vom 27. April 2020 zurückgesandt mit dem Bemerken, der Verweisungsbeschluss entfalte Bindungswirkung. Zwar sei zutreffend, dass die Verbüßung einer Haftstrafe nicht in jedem Fall einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründe; möglich sei dies aber schon. Ein Rechtsirrtum lasse die Bindungswirkung nicht entfallen. Der gewöhnliche Aufenthaltsort des Antragsgegners liege erst recht nicht im Zuständigkeitsbezirk des Amtsgerichts Neumarkt i.d. OPf.

Das Amtsge...

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