Leitsatz (amtlich)
Geschäftswert eines Beschwerdeverfahrens, mit dem die Aufnahme eines Nacherbenvermerks im Erbschein erstrebt wird.
Normenkette
KostO § 131 Abs. 2, § 30; BGB § 2363 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 12.10.1994; Aktenzeichen 4 T 2441/93) |
AG Lindau (Bodensee) (Aktenzeichen VI 556/91) |
Tenor
Die Beschwerde der Staatskasse gegen die Nr. 3 des Beschlusses des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 12. Oktober 1994 in der Fassung des Beschlusses vom 22. Mai 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 270.000 DM festgesetzt wird.
Tatbestand
I.
Das Nachlaßgericht hat der Beteiligten zu 1, einer Schwester der Erblasserin, einen Erbschein erteilt, der sie als Alleinerbin aufgrund privatschriftlichen Testaments ausweist. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2, der ein Nacherbrecht geltend macht, hat das Landgericht durch Beschluß vom 12.10.1994 zurückgewiesen und in Nr. 3 der Entscheidung den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 486.577 DM festgesetzt.
Gegen die Geschäftswertfestsetzung hat der Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt, mit der er eine Herabsetzung des Geschäftswerts erstrebt hat. Beschwerde hat auch die Staatskasse eingelegt und eine Festsetzung des Geschäftswerts auf 618.747 DM beantragt. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 22.5.1995 auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 seinen Beschluß vom 12.10.1994 in Nr. 3 dahin abgeändert, daß der Geschäftswert auf 275.150 DM festgesetzt wird. Im übrigen hat es den Geschäftswertbeschwerden nicht abgeholfen.
Die Staatskasse hat hierauf die Festsetzung eines Geschäftswerts von 339.010 DM beantragt und ihre Beschwerde im übrigen zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3 und 4 KostO statthafte und auch im übrigen zulässige (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 und 4 KostO, § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO) Beschwerde des Beteiligten zu 2, über die das Bayerische Oberste Landesgericht entscheidet (BayObLGZ 1993, 115/116 und 1986, 489/490 m.w.N.), hat sich im Hinblick darauf, daß der Beteiligte zu 2 lediglich eine nicht bezifferte Herabsetzung des Geschäftswerts beantragt hatte, durch die Abhilfeentscheidung vom 22.5.1995 erledigt (vgl. Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 21 Rn. 3; Thomas/Putzo ZPO 19. Aufl. § 571 Rn. 4).
Die zulässige Beschwerde der Staatskasse ist nicht begründet.
1. Gemäß § 131 Abs. 2 KostO richtet sich der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens nach § 30 KostO. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zu denen Nachlaßsachen gehören, ist der Wert nach freiem Ermessen zu bestimmen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung vorhanden sind. Maßgebend ist, wenn – wie hier – besondere Umstände nicht vorliegen, die Bedeutung des Rechtsmittels für den Rechtsmittelführer, insbesondere das damit verfolgte wirtschaftliche Interesse. Die in der Kostenordnung enthaltenen besonderen Vorschriften für die Festsetzung des Geschäftswerts im ersten Rechtszug können als Anhaltspunkte herangezogen werden. Als solcher dient insbesondere der Wert des Reinnachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 107 Abs. 1 Satz 1 KostO; vgl. zu allem BayObLGZ 1993, 115/117 und ständige Rechtsprechung).
2. Den hiernach maßgeblichen Wert des Reinnachlasses schätzt der Senat entsprechend den vom Landgericht zutreffend angesetzten Einzelpositionen auf rund 449.000 DM. Im Hinblick auf die Auskunft des Landratsamts Lindau vom 3.4.1995 schätzt der Senat ebenso wie das Landgericht den Grundstückswert auf rund 145.500 DM. Etwaige Wertsteigerungen, deren Berücksichtigung die Staatskasse vermißt, bleiben außer Betracht, weil es auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls ankommt.
3. Der Wert des Reinnachlasses kann aber nicht mit dem Geschäftswert gleichgesetzt werden. Davon geht nunmehr auch das Landgericht aus. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht der Reinnachlaß, sondern das vom Beteiligten zu 2 als Beschwerdeführer beanspruchte Nacherbrecht an diesem, mithin die Aufnahme eines entsprechenden Nacherbenvermerks in dem der Beteiligten zu 1 erteilten Erbschein (vgl. § 2363 Abs. 1 Satz 1 BGB). Für die Bewertung des Interesses eines am Erbscheinsverfahren Beteiligten an der Aufnahme oder Beseitigung eines Nacherbenvermerks enthält die Kostenordnung keine Vorschriften. Maßgeblich für das Interesse eines präsumtiven Nacherben an der Aufnahme eines Nacherbenvermerks ist der Umstand, daß der Vorerbe an der freien Verfügbarkeit über den ihm zufallenden Nachlaß gehindert werden soll. Dieses Interesse bewertet der Senat in der Regel mit einem Bruchteil des Reinnachlasses (vgl. BayObLG Rpfleger 1983, 12 LS; Senatsbeschlüsse vom 6.3.1987 BReg. 1 Z 28/86, vom 29.9.1987 BReg. 1 Z 66/86, vom 15.11.1990 BReg. 1 a Z 58/90 und vom 24.6.1991 BReg. 1 a Z 19/90). Im Hinblick auf das hohe Alter der Beteiligten zu 1 müßte im Fall ihrer bloßen Vorerbschaft davon ausgegangen werden, daß der Beteiligte zu 2 alsbald in den Genuß der Erbschaft käme und deren Wert daher nicht wesentlich ger...