Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Sachrüge. Beleidigung. Beschimpfung. Schimpfwort. Verächtlichmachung. Frau. Gesprächspartnerin. Schlampe. Telefonat. Formalbeleidigung. Meinungsfreiheit. Meinungsäußerungsfreiheit. Menschenwürde. Angriff. Integritätsangriff. Missachtung. Ehre. Ehrverletzung. Ehrenschutz. Abwägung. Einzelfallabwägung. Gewichtung. Schmähung. Schmähkritik. Kritik. überzogen. unverhältnismäßig. ausfällig. Verunglimpfung. Titulierung. Verbalinjurie. Entgleisung. Sachzusammenhang. Kontext. sexual-ethisch. Fäkalsprache. Auseinandersetzung. sachlich. grundlos. herabsetzend. Konnexität. Achtungsanspruch. Beweiswürdigung. Beweisaufnahme. Revisionsinstanz. Aussage-gegen-Aussage. Bestreiten. Einlassung. Geständnis. Teilgeständnis. Beruhen. Strafzumessung. Verteidigungsverhalten. Schuldeinsicht. Reue
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bezeichnung einer Frau als "Schlampe" stellt regelmäßig eine Formalbeleidigung dar, bei der die Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten hinter den Ehrenschutz der Verletzten zurücktritt, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf.
2. Eine Schmähung des Opfers, die ebenfalls eine Einzelfallabwägung entbehrlich macht, ist dann anzunehmen, wenn die Äußerung keinen nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es dem Angeklagten nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht.
3. Bestreitet der Angeklagte vollständig das strafbare Verhalten, ist es rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten von einem "Teilgeständnis" ausgeht.
Normenkette
GG Art. 1, 5 Abs. 1 S. 1; StGB §§ 185, 193; StPO § 337 Abs. 1, § 344 Abs. 2 S. 2, § 349 Abs. 2, § 473 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Coburg (Entscheidung vom 22.05.2023) |
Tenor
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 16.01.2023 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 22.05.2023 als unbegründet verworfen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Die Berufungskammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der vielfach vorbestrafte Angeklagte war bis Ende März 2022 mit der Mutter der Verletzten liiert. Weil die Mutter dem Angeklagten nach der Trennung für einen Antrag beim Arbeitsamt benötigte Unterlagen nicht zur Verfügung stellte, wollte der Angeklagte diese unter Druck setzen und zur Herausgabe der Unterlagen bewegen. Zu diesem Zweck veröffentlichte er auf Facebook eine Fotocollage verschiedener von der Verletzten gefertigter Torten und bewarb den Verkauf von Torten, wobei er deren Namen nannte. Nachdem die Verletzte am 04.04.2022 gegen 9.00 Uhr in einem Telefonat von dem Angeklagten verlangt hatte, den Beitrag bei Facebook zu löschen, äußerte der Angeklagte ihr gegenüber: "Ich mach euch fertig, ihr Schlampen!".
III.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils deckt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die erhobenen Verfahrensrügen entsprechen bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind im Übrigen aus den Gründen der Zuleitungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft München auch unbegründet.
2. Der Schuldspruch wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB hält im Ergebnis der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts weist keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere wird diese den gesteigerten Anforderungen bei einer hier gegebenen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation noch hinreichend gerecht (vgl. hierzu nur BayObLG, Beschl. v. 12.07.2021 - 202 StRR 76/21 = OLGSt StPO § 261 Nr 31 m.w.N.). Soweit der Beschwerdeführer auf eine Beweisaufnahme in der Revisionsinstanz drängt, verkennt er das Wesen der Revision, die darauf gerichtet ist, das angefochtene Urteil auf Rechtsfehler zu überprüfen (§ 337 Abs. 1 StPO), sodass eine Beweisaufnahme, die allein dem Tatrichter obliegt, durch das Revisionsgericht von vornherein nicht in Betracht kommt.
b) Im Ergebnis zu Recht ist die Berufungskammer von der Erfüllung des Beleidigungstatbestands nach § 185 Var. 1 StGB ausgegangen.
aa) Die Bezeichnung der Gesprächspartnerin durch den Angeklagten als "Schlampe" stellt zweifelsfrei durch die darin zum Ausdruck gekommene Missachtung einen Angriff auf die persönliche Ehre der Verletzten dar.
bb) Zwar ist es rechtsfehlerhaft, soweit das Berufungsgericht lapidar ausführt, es seien "keinerlei" Anhaltspunkte für das Vorliegen berechtigter Interessen des Angeklagten ersichtlich. Denn das Landgericht hat dabei außer Acht gelassen, dass die Äußerung selbstverständlich am Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen ist. Indessen ber...