Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostensache
Leitsatz (amtlich)
Geschäftswert eines Beschwerdeverfahrens in einer Erbscheinssache (geringere Bewertung eines Gebäudes anhand der Angaben des Nachlaßpflegers).
Normenkette
KostO § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bad Kissingen (Aktenzeichen VI 123/00) |
LG Schweinfurt (Aktenzeichen 11 T 253/00) |
Tenor
Der Beschluß des Landgerichts Schweinfurt vom 12. September 2000 wird in Ziff. 2 des Beschlußtenors dahin abgeändert, daß der Geschäftswert für das Beschwerde verfahren auf 145.000 DM festgesetzt wird.
Gründe
I.
Der im Jahr 2000 verstorbene Erblasser hinterließ seine Ehefrau (Beteiligte zu 1), drei Kinder (Beteiligte zu 2 bis 4) und einen Bruder (Beteiligter zu 5). Am 1.10.1999 hatte der Erblasser zwei eigenhändige Testamente errichtet. In dem einen hatte er die Beteiligte zu 1 und seine Kinder, in dem anderen den Beteiligten zu 5 bedacht. Der Beteiligte zu 5 beantragte die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe.
Das Amtsgericht wies den Antrag des Beteiligten zu 5 zurück, wobei es ausführte, der Erblasser sei bei Errichtung der Testamente testierunfähig gewesen, und ordnete die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge an.
Hiergegen legte der Beteiligte zu 5 Beschwerde ein. Das Landgericht wies durch Beschluß vom 12.9.2000 die Beschwerde zurück und setzte den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 250.448,03 DM fest.
Gegen die Festsetzung des Geschäftswerts im Beschwerdeverfahren wendet sich der Beteiligte zu 5 mit seiner Beschwerde. Der wesentliche Nachlaßgegenstand, das Hausgrundstück, sei im Jahre 1992 von einem Architekten mit 215.278 DM bewertet worden. Der Geschäftswert betrage daher allenfalls 190.000 DM.
Das Landgericht hat der Geschäftswertbeschwerde nicht abgeholfen.
II.
1. Die Geschäftswertbeschwerde ist zulässig.
Gegen die Entscheidung, durch die das Beschwerdegericht den Geschäftswert des bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens festsetzt, ist die zulassungsfreie, unbefristete Erstbeschwerde nach Maßgabe des § 14 Abs. 3 und 4 KostO gegeben (§ 31 Abs. 3 Satz 1 KostO). Zur Entscheidung ist das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig (st. Rspr. des Bayerischen Obersten Landesgerichts, vgl. BayObLGZ 1986, 489/490 m.w.N.).
Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 100 DM (§ 14 Abs. 3 Satz 1 KostO, § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Der Unterschied in den vom Beteiligten zu 5 zu tragenden Gerichtsgebühren und Anwaltskosten aus dem angefochtenen und dem begehrten Geschäftswert (vgl. BayObLGZ 1959, 272) liegt über diesem Betrag.
2. Die Geschäftswertbeschwerde ist begründet. Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist mit 145.000 DM anzusetzen.
a) Gemäß § 131 Abs. 2 KostO richtet sich der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 30 KostO. In Vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zu denen Nachlaßsachen gehören, ist der Wert des Beschwerdegegenstands regelmäßig nach freiem Ermessen zu bestimmen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung vorhanden sind. Maßgebend ist grundsätzlich die Bedeutung des Rechtsmittels für den Rechtsmittelführer, insbesondere das damit verfolgte wirtschaftliche Interesse. Die in der Kostenordnung enthaltenen besonderen Vorschriften für die Festsetzung des Geschäftswerts im ersten Rechtszug können als Anhaltspunkt herangezogen werden. Als solcher dient im Erbscheinsverfahren insbesondere der Wert des Reinnachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 107 Abs. 2 Satz 1 KostO). Pflichtteilsansprüche sind als Nachlaßverbindlichkeiten in Abzug zu bringen (vgl. zu allem BayObLGZ 1986, 489/491 f.).
Der Beteiligte zu 5 verfolgte mit seiner Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts das wirtschaftliche Ziel, unter Ausschaltung der gesetzlichen Erben als alleiniger Erbe festgestellt zu werden. Zwar wurde die Beschwerde nicht begründet. Ihr Rechtsschutzziel ist jedoch eindeutig erkennbar (Korintenberg/Lappe KostO 14. Aufl. § 14 Rn. 141), da der Beteiligte zu 5 zuvor erfolglos die Erteilung eines Erbscheins des genannten Inhalts beantragt hatte. Sein Interesse war daher auf den wirtschaftlichen Wert gerichtet, den er als Alleinerbe hätte erlangen können. Nach Abzug des Betrags der Pflichtteilsansprüche, denen er ausgesetzt gewesen wäre, entspricht dies 145.000 DM, das ist die Hälfte des reinen Nachlaßwertes.
b) Der Anteil von 19/20 am Hausgrundstück, der den wesentlichen Aktivbestand des Nachlasses darstellt, ist mit 290.000 DM zu bewerten.
aa) Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 KostO ist der Wert einer Sache der gemeine Wert. Er entspricht, wie sich aus § 19 Abs. 1 Satz 2 KostO ergibt, dem Verkehrswert. Diese Grundsätze gelten auch für Grundstücke, soweit hinreichende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Verkehrswerts vorhanden sind und dieser über dem Einheitswert liegt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 KostO). Danach soll der Verkehrswert zugrunde gelegt werden, soweit das ohne unwirtschaftlichen Aufwand und unvertretbare Verzögerungen möglich ist. Jedenfalls soll das aus vorha...