Leitsatz (amtlich)

Bei der Entscheidung darüber, ob ein Bedürfnis für die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Entscheidung über die Ausübung eines Zeugnisverweigerungsrechts durch einen minderjährigen Zeugen besteht, können Gesichtspunkte des Zeugenschutzes angemessen berücksichtigt werden (Fortführung von BayObLGZ 1966, 343).

 

Normenkette

BGB § 1909 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hof (Beschluss vom 27.06.1997; Aktenzeichen 2 T 73/97)

AG Hof (Aktenzeichen XIII 113/97)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Hof vom 27. Juni 1997 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Eltern des im Jahr 1986 ehelich geborenen Kindes. Sie leben seit 1995 getrennt, das Kind wohnt bei der Mutter. Das Sorgerecht für das Kind steht ihnen gemeinsam zu. Hierüber und über den Umgang des Sohnes mit dem Vater besteht im Rahmen des Scheidungsverfahrens unter den Beteiligten zu 1 und 2 Streit.

Aufgrund einer Anzeige der Mutter (Beteiligte zu 2) wurde gegen den Beteiligten zu 1 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Mißbrauchs des Kindes eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft beantragte am 22.5.1997 die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Zustimmung zur Vernehmung und zu einer eventuellen Glaubwürdigkeitsbegutachtung des Kindes. Mit Beschluß vom 26.5.1997 ordnete das Vormundschaftsgericht für das Kind Ergänzungspflegschaft an. Als Wirkungskreis wurde die Vertretung bei der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bzw. über die Zustimmung zur Vernehmung im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Beteiligten zu 1 sowie bei der – Zustimmung zu einer eventuellen Glaubwürdigkeitsbegutachtung bestimmt. Zum Ergänzungspfleger wurde das Kreisjugendamt (Beteiligter zu 3) bestellt. Gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein. Er stützte sie auf eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie darauf, daß eine Ergänzungspflegschaft erst angeordnet werden dürfe, wenn die das Kind vernehmende Stelle festgestellt habe, daß diesem die für die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts erforderliche Verstandesreife fehle. Ferner sei Voraussetzung für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft, daß der Minderjährige aussagebereit sei. Mit Beschluß vom 27.6.1997 wies das Landgericht die Beschwerde zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie richtet sich gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft, die den Beteiligten zu 1 als sorgeberechtigten Elternteil beschwert (§ 20 Abs. 1 FGG). Sie ist jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft sei geboten, weil in dem Ermittlungsverfahren gegen den Vater die Vernehmung des elfjährigen Kindes der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedürfe, wenn dem Kind die Einsicht in die Bedeutung seines Zeugnisverweigerungsrechts fehle. Die Eltern seien von der Vertretung bei der Zustimmung kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil sich das Ermittlungsverfahren gegen einen Elternteil richte. Über die Frage, ob das Kind über die erforderliche Verstandesreife zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts verfüge, habe der Vernehmungsbeamte zu entscheiden. Um eine unnötige Belastung des Kindes durch eine doppelte Vernehmung zu vermeiden, könne die von der Staatsanwaltschaft beantragte Ergänzungspflegschaft schon vor einer förmlichen Prüfung der Verstandesreife durch den Vernehmungsbeamten angeordnet werden. Die Beteiligte zu 2 habe gegenüber der Polizei mitgeteilt, daß das Kind aussagebereit sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1, § 550 ZPO) im Ergebnis stand.

a) Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB ist entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers nicht zu beanstanden.

aa) Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, das Kind im Ermittlungsverfahren gegen seinen Vater als Zeugen zu vernehmen (§ 161a Abs. 1 StPO). Nach § 161a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO steht dem Kind in diesem Verfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Da es erst 11 Jahre alt ist, hat die vernehmende Stelle zu prüfen, ob der Minderjährige die erforderliche Verstandesreife besitzt, um die Bedeutung und Tragweite des Zeugnisverweigerungsrechts zu erkennen. Ist dies nicht der Fall, darf er nur vernommen werden, wenn er zur Aussage bereit ist und sein gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Da der Vater der Beschuldigte ist und das Sorgerecht den Eltern gemeinsam (§ 1626 Abs. 1, § 1629 Abs. 1 BGB) zusteht, sind beide Elternteile von der gesetzlichen Vertretung des Kindes bei der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StPO).

bb) Will das Kind aus...

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