Verfahrensgang
Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 15.07.1999; Aktenzeichen 320.VK-3194-12/99) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Vergabestelle wird der Beschluß der Vergabekammer Nordbayern vom 15. Juli 1999 aufgehoben.
II. Der Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung durch die Vergabeentscheidung wird zurückgewiesen.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Vergabestelle und Beigeladenen im Beschwerdeverfahren zu tragen.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf DM 14.443,57 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Landkreis X (im folgenden Vergabestelle) veranlaßte im April 1999 im Rahmen der Gesamtmaßnahme „Neubau der Kreisstraße …” (geschätzter Gesamtauftragswert: 16,9 Mio. DM) die Bekanntmachung der Leistung „Erdbau, Bau der Rampen” mit einer Bindungsfrist für Bieter bis 18.6.1999. Bei der Angebotseröffnung am 20.5.1999 lag unter zehn Angeboten das der Beteiligten zu 1 (im folgenden Antragstellerin) mit DM 311.292,06 an zweiter, das der Beteiligten zu 3 (im folgenden Beigeladene) mit DM 288.871,31 an erster Stelle.
Die Vergabestelle, vertreten durch das Straßenbauamt Aschaffenburg, erteilte gemäß eines Kreistagsbeschlusses vom 11.6.1999 der Beigeladenen mit Schreiben vom 14.6.1999, bei dieser eingegangen am 16.6.1999, den Auftrag.
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 18.6.1999 eine Nachprüfung der Vergabe mit der Begründung, daß die Beigeladene nicht die Befähigung habe, einschlägige Straßenbauarbeiten auszuführen.
Die Vergabekammer Nordbayern hat mit Beschluß vom 15.7.1999, dem Bevollmächtigten der Vergabestelle zugestellt am 20.7.1999, festgestellt, daß die Vergabe rechtswidrig gewesen sei, der Vergabestelle die Verfahrenskosten auferlegt und eine Verfahrensgebühr von DM 5.000,– festgesetzt. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei trotz der Zuschlagserteilung vor Antragstellung zulässig. Es müsse zumindest § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB – vergleichbar mit § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO – analog angewendet werden, da der Bieter sonst keine Möglichkeit mehr hätte, sich an die Vergabekammer zu wenden. Eine solche Beschneidung der Rechtsschutzmöglichkeiten sei mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Die Vergabe sei auch rechtswidrig. Die ausgeschriebenen Arbeiten umfaßten überwiegend Bauleistungen, nämlich die Erstellung von Straßendämmen. Diese dürften nur von Unternehmen ausgeübt werden, die hierzu nach den gewerberechtlichen Bestimmungen berechtigt seien. Die Beigeladene sei nicht in die Handwerksrolle eingetragen und deshalb nicht befugt, Tätigkeiten des Straßenbauer-Handwerks, wie das Schütten von Straßendämmen, vorzunehmen. Damit fehle auch ihre fachliche Eignung, die nicht nur die handwerkliche Befähigung umfasse, sondern auch die formale, handwerksrechtliche Berechtigung.
Gegen diese Entscheidung hat die Vergabestelle mit Fax vom 30.7.1999, das bei Gericht am gleichen Tage eingegangen ist, Beschwerde eingelegt.
Sie beantragt, den Beschluß der Vergabekammer Nordbayern aufzuheben und den Antrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung hat sie vorgebracht, der Antrag sei unzulässig, da der Zuschlag vor der Antragstellung erteilt worden sei. In dem Antrag werde auch weder die behauptete Rechtsverletzung ausreichend dargelegt noch der Antragsgegner bezeichnet. Ein besonderes Festsetzungsfeststellungsinteresse fehle. Im übrigen sei die Vergabe rechtmäßig erfolgt. Die Beigeladene verfüge über die notwendige Fachkunde für die vorliegenden Erdbauarbeiten.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das für den Sitz der Vergabekammer Nordbayern zuständige Vergabegericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 GWB i.V.m. § 116 Abs. 4 GWB, § 1 Abs. 1 Nr. 25 ZustÜVJu, § 16 Abs. 3 GZVJu).
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 116 Abs. 1 Satz 1 GWB). Es ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 117 Abs. 1 und 2 GWB).
Sämtliche Beteiligte haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet (§ 120 Abs. 2, § 69 Abs. 1 GWB).
2. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer und zur Zurückweisung des Antrags auf Feststellung einer Rechtsverletzung als unzulässig. Die auch im Verfahren der sofortigen Beschwerde zu berücksichtigenden allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (vgl. BayObLGZ 1999, 127/132) liegen nicht vor, da der auf dem Zuschlag beruhende Vertragsabschluß bereits vor der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erfolgt ist.
a) Ob die Vergabekammer befugt ist, auf einen erst nach Erteilung des Zuschlags eingereichten Nachprüfungsantrag eine Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten festzustellen, ist streitig. Überwiegend wird dies verneint (vgl. OLG Düsseldorf BB 1999, 1078/1080; Vergabekammer Südbayern Vergaberechts-Report 6/99 S. 2/3; Gröning ZIP 1999, 52/56; Erdl Der neue Vergabere...