Entscheidungsstichwort (Thema)
Bußgeldverfahren. Bußgeldbescheid. Bußgeld. Bußgeldrahmen. Geschwindigkeitsüberschreitung. Rechtsbeschwerde. Staatsanwaltschaft. Sachrüge. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Fahrverbotsdauer. Regeldauer. Fahrverbotsprivilegierung. Absehen. Härte. Härtefall. Anfechtung. Angriffsziel. Rechtsmittel. Rechtsmittelantrag. Rechtsmittelbeschränkung. Rechtsfolgenausspruch. konkludent. Rechtsmittelbegründung. Auslegung. Beruf. beruflich. Vater. Kind. minderjährig. Umgang. Umgangsrecht. Umgangsregelung. Abholung. PKW. Taxi. Denkzettel. Entfernung. Entwicklung. seelisch. Erkrankung. Existenzvernichtung. Fahrdienst. Gleichbehandlung. Pflichtverletzung. grob. Vollstreckungserleichterung. Vorbewertung. Wechselwirkung. Wohnort. Verteidigungsverhalten. Zumutbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein konkreter Rechtsmittelantrag nicht gestellt, ist der Umfang der Anfechtung einer ge- richtlichen Entscheidung seitens der Staatsanwaltschaft durch Auslegung des der Rechtsmittelbegründung zu entnehmenden Angriffsziels zu ermitteln (Anschl. an BGH, Urt. v. 14.04.2022 - 5 StR 313/21 bei juris = NStZ-RR 2022, 201 = StV 2023, 522 = BeckRS 2022, 9852).
2. Die mit einem Fahrverbot verbundenen Einschränkungen des Kindesumgangsrechts sind, will das Tatgericht in ihnen eine außergewöhnliche Härte sehen und deshalb von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot absehen, positiv festzustellen.
Normenkette
GG Art. 6; StVG §§ 24, 24 Abs. 3 Nr. 5, § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a; StVO § 41 Abs. 1, § 49 Abs. 3 Nr. 4; BKatV § 4 Abs. 1 Sätze 1-2; OWiG § 17 Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3; StPO § 345 Abs. 2; RiStBV Nrn. 156, 293; BKat Nr. 11.3.9
Verfahrensgang
AG Lichtenfels (Entscheidung vom 09.08.2023) |
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Lichtenfels vom 09.08.2023 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.
II.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lichtenfels zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayer. Polizeiverwaltungsamt vom 26.08.2022 wurden gegen den Betroffenen wegen einer am 23.06.2022 begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 64 km/h eine Geldbuße in Höhe von 600 Euro sowie ein mit der Vollstreckungserleichterung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten festgesetzt. Auf den gegen den vorgenannten Bußgeldbescheid form- und fristgerecht eingelegten Einspruch hin verurteilte das Amtsgericht Lichtenfels den Betroffenen am 09.08.2023 zu einer Geldbuße von 1.200 Euro. Von der Verhängung des im Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbotes hat es demgegenüber abgesehen. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde ein. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 23.08.2023 begründete die Staatsanwaltschaft ihre Rechtsbeschwerde unter dem 24.08.2023, eingegangen beim Amtsgericht am 29.08.2023. Sie ist der Auffassung, das Gericht habe zu Unrecht von der Verhängung des an sich verwirkten Regelfahrverbotes abgesehen.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige sowie konkludent auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erweist sich als begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, denn nach dem insoweit maßgeblichen Sinn ihrer Rechtsbeschwerdebegründung hat sie den Schuldspruch nicht angefochten. Eine Überprüfung des Urteils hinsichtlich der Feststellungen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen und zur Schuldform ist dem Senat von daher verwehrt.
Die Staatsanwaltschaft hat keinen konkreten Rechtsbeschwerdeantrag gestellt und keine bestimmte Rüge erhoben, was aber der Auslegung ihres Vorbringens als Sachrüge nicht entgegensteht, solange sich aus ihrem Vorbringen eindeutig ergibt, dass und inwieweit sie die Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 66. Aufl. § 344 Rn. 13, 14 m.w.N.).
Hinsichtlich des Angriffsziels eines Rechtsmittels ist der Sinn der Rechtsmittelbegründung maßgeblich. Für Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft sind hierbei die Nrn. 156, 293 Abs. 1 RiStBV in den Blick zu nehmen. Hiernach ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, jedes von ihr eingelegte Rechtsmittel zu begründen. Darüber hinaus soll die Staatsanwaltschaft ihre Revision/Rechtsbeschwerde stets so rechtfertigen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (Nrn. 156 Abs. 2, 293 Abs. 1 RiStBV). Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift des § 345 Abs. 2 StPO, die der sachkundigen Zusammenfassung der mit dem Rechtsmittel geführten rechtli...