Entscheidungsstichwort (Thema)
vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäfts. Landwirtschaftserbrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entscheidung, ob eine gemäß den §§ 1821, 1822, 1915 Abs. 1 BGB erforderliche Genehmigung erteilt oder verweigert wird, ist eine Ermessensentscheidung.
2. Als Ermessensentscheidung unterliegt der Beschluss des Landgerichts nur in beschränktem Umfang der rechtlichen Überprüfung (allg. Meinung; z. B. Keidel/Kuntze FGG 12. Aufl. § 27 Rn. 27 m.w.Nachw.); diese erstreckt sich in erster Linie darauf, ob das Landgericht von seinem Ermessen überhaupt keinen Gebrauch gemacht hat. Die Nichtausübung des Ermessens stellt bereits einen Rechtsfehler dar.
Normenkette
BGB §§ 1821-1822, 1915, 2311-2312
Verfahrensgang
LG Passau (Beschluss vom 07.01.1988; Aktenzeichen 2 T 226/87) |
AG Freyung (Aktenzeichen VIII 85/87) |
Tenor
Die weiteren Beschwerden der Pfleglinge gegen den Beschluß des Landgerichts Passau vom 7. Januar 1988 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Wort „kostenfällig” im angefochtenen Beschluß entfällt.
Tatbestand
I. Die vier Pfleglinge sind die Kinder der Eheleute W. Dies lebten in Gütergemeinschaft. Zum Gesamtgut gehörte ein landwirtschaftliches Anwesen mit etwa 20 ha Grund, davon über 8 ha Wald. Der Ehemann und Vater starb … 1986. Er war bis dahin als Kranführer tätig und betrieb die Landwirtschaft mit Milchvieh auf Weideland. Im Ehe- und Erbvertrag vom 26.4.1974 hatten sich die Eheleute zu alleinigen und ausschließlichen Erben eingesetzt sowie bestimmt:
„Hinterläßt der zuerst sterbende Eheteil Abkömmlinge, so hat der überlebende Eheteil diesen als Vermächtnis eine Summe zuzuweisen, die gleich ist dem werte des den Abkömmlingen gesetzlich gebührenden Pflichtteils. …
Gehört zum Nachlaß ein Landgut oder ein Anteil hieran, so soll für die Berechnung des Pflichtteils der Ertragswert maßgebend sein, der Verkehrswert nur, falls er niederer liegt.”
Nach dem Tod ihres Ehemannes hat die Mutter der Pfleglinge als Alleinerbin den landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben, das Vieh verkauft und die landwirtschaftlichen Grundstücke verpachtet. Sie hat zwei Teilflächen Wald mit zusammen rund 0,87 ha verkauft und das gesamte Anwesen mit einer Grundschuld von 35 000 DM zugunsten einer Bank belastet.
Am 4.5.1987 hat das Vormundschaftsgericht für die vier Kinder zur Geltendmachung der erbrechtlichen Ansprüche Pflegschaft angeordnet. Der Pfleger hat … zur Niederschrift des Vormundschaftsgerichts mit der Witwe … vereinbart, daß die Pflichtteilsansprüche nach dem Ertragswert zu berechnen seien, die Witwe als Pflichtteil den vier Kindern jeweils 15 000 DM schulde, zahlbar nach Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten spätestens bei Volljährigkeit und verzinslich mit jährlich 4% seit dem Todestag, weiter haben die Beteiligten vereinbart, daß den Kindern auf dem Anwesen ein unentgeltliches Wohnrecht in je einem Zimmer, längstens bis zum 25. Lebensjahr eingeräumt und zur Sicherung der Geldbeträge je eine Hypothek in gleichem Rang bestellt werde. Schließlich solle der Übernehmer des Anwesens „mit der Übernahme hinsichtlich sämtlicher Pflichtteilsansprüche nach dem Vater abgefunden” sein und ein von ihm als Pflichtteil erhaltener Barbetrag solle eine „ausgleichspflichtige Zuwendung” darstellen. Hierzu erklärten die Witwe und der Pfleger, der 14 jährige Sohn wolle in absehbarer Zeit das Anwesen übernehmen und in gleicher Weise wie sein Vater die Landwirtschaft betreiben. Sie errechnen den Jahresreinertrag des landwirtschaftlich genutzten Anwesens mit 18 000 DM und gelangen bei einem 18fachen Jahresertrag zu einem Ertragswert von 324 000 DM. Daraus errechnen sie einen Pflichtteil von je 15 187,50 DM. Der Pfleger beantragte beim Vormundschaftsgericht, die Vereinbarung zu genehmigen.
Das Vormundschaftsgericht hatte den Verkehrswert der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen von Sachverständigen schätzen lassen und gelangte zu dem Ergebnis, daß der Wert des reinen Gesamtgutes rund 1,2 Mio DM betrage. Weil die Pflichtteilsansprüche nicht nach dem Ertragswert berechnet werden dürften, hat das Vormundschaftsgericht durch Beschluß vom 9.11.1987 die Genehmigung versagt.
Der Pfleger hat im Namen der Pfleglinge gegen diesen Beschluß Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat „die Beschwerde kostenfällig” zurückgewiesen, weil der Pflichtteilsberechnung der Verkehrswert zugrundegelegt werden müsse. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde des Pflegers, die er zu Protokoll des Vormundschaftsgerichts ausdrücklich im Namen seiner Pfleglinge eingelegt hat.
Entscheidungsgründe
II.
III.
1. Die weiteren Beschwerden der vier Pfleglinge sind zulässig, im Ergebnis aber zurückzuweisen, soweit das Landgericht in der Hauptsache entschieden hat.
2. Das Landgericht hat ausgeführt: Die zulässige Beschwerde sei deshalb unbegründet, weil der Grundbesitz kein Landgut im Sinne des § 2312 BGB sei. Ein solches müsse die alleinige Existenzgrundlage des Übernehmers bilden, so daß eine landwirtschaftliche Nebenerwer...