Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Im Hinblick auf die Pflicht des Notars, den Willen der Beteiligten zu erforschen, sie über die Tragweite ihres Geschäfts zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig wiederzugeben (§ 17 Abs. 1 BeurkG), eine gewisse Vermutung dafür, daß bei einer durch einen Notar beurkundeten letztwilligen Verfügung objektiver Erklärungsinhalt und Erblasserwille übereinstimmen.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; BeurkG § 17 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 11.07.1995; Aktenzeichen 13 T 3732/95) |
AG Fürth (Bayern) (Aktenzeichen VI 46/94) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4 wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. Juli 1995 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Der im Alter von 70 Jahren kinderlos verstorbene Erblasser war in zweiter Ehe verheiratet. Seine Ehefrau hatte zwei Söhne mit in die im Jahr 1952 geschlossene Ehe gebracht, den 1948 geborenen Beteiligten zu 1 und den 1950 geborenen Beteiligten zu 2. Diese wuchsen im Haushalt ihrer Mutter und des Erblassers auf. Die Beteiligte zu 3 ist eine Schwester, die Beteiligte zu 4 die einzige Tochter einer weiteren Schwester des Erblassers.
Anfang 1974 hatten die Eheleute gemeinsam zu Miteigentum je zur Hälfte ein Hausgrundstück erworben, das ihr wesentliches Vermögen bildete. Am 5.8.1974 errichteten sie ein notarielles gemeinschaftliches Testament, in dem im wesentlichen folgendes bestimmt ist:
Ich, der Ehemann bestimme zu meiner alleinigen und ausschließlichen Erbin meine Ehefrau …
Ich, die Ehefrau bestimme zu meinem alleinigen und ausschließlichen Erben meinen Ehemann, Herrn … (Erblasser). Herr … (Erblasser) soll Vorerbe sein. Nach seinem Tod sollen Nacherben meine beiden Kinder … (Beteiligte zu 1 und 2) sein …
Herr … (Erblasser) ist als Vorerbe von allen gesetzlichen Beschränkungen soweit wie möglich befreit.
Wir, … (Erblasser und Ehefrau) bestimmen, daß bei unserem gleichzeitigen Tod Herr … (Beteiligter zu 1) und Herr … (Beteiligter zu 2) zu gleichen Teilen Erben sein sollen. An ihre Stelle treten im Falle ihres Todes die ehelichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen, und falls eheliche Abkömmlinge nicht vorhanden sind, der andere eingesetzte Erbe.”
Am 2.12.1974 ist die Ehefrau im Alter von 51 Jahren verstorben und gemäß dem Testament vom Erblasser als Vorerbe und von den Beteiligten zu 1 und 2 als Nacherben beerbt worden.
Nach Ansicht des Nachlaßgerichts hat der Erblasser in dem gemeinschaftlichen Testament die Beteiligten zu 1 und 2 zu Erben nur für den Fall eingesetzt, daß er mit seiner Ehefrau gleichzeitig versterben sollte. Der Erblasser sei jedoch nach seiner Ehefrau verstorben, so daß gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Das Nachlaßgericht hat daher den Beteiligten zu 3 und 4 als gesetzlichen Erben auf deren Antrag jeweils einen Teilerbschein erteilt, wonach der Erblasser von ihnen jeweils zur Hälfte beerbt worden ist. Die Erbscheinsausfertigungen befinden sich noch in den Händen dieser Beteiligten.
Einen Antrag des Beteiligten zu 1, die Erbscheine einzuziehen, hat das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 27.3.1995 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht am 11.7.1995 diesen Beschluß aufgehoben und die Einziehung der Erbscheine angeordnet. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4. Der Beteiligte zu 1 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten. Die Beteiligten zu 2 und 3, denen der Senat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, haben sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, das gemeinschaftliche Testament enthalte nach seinem Wortlaut eine Lücke. Denn es regele die Erbfolge nach dem Erblasser nur für den Fall seines Vorversterbens sowie für den Fall des gleichzeitigen Todes der Eheleute, nicht aber für den Fall des Vorversterbens der Ehefrau. Nach dem Zusammenhang und Sinn der getroffenen Regelungen könne es jedoch keinen Zweifel geben, daß nach dem Willen der Eheleute nicht nur das Vermögen der Ehefrau, sondern das gesamte Vermögen der Eheleute den Beteiligten zu 1 und 2 zufallen solle. Das finde im Testament seinen Ausdruck darin, daß die Beteiligten zu 1 und 2 bei einem gleichzeitigen Versterben der Eheleute Erben sein sollten. Hätten die Eheleute für den Fall des Nachversterbens des Erblassers eine andere Regelung gewollt als die für ihr gleichzeitiges Versterben getroffene, so hätte es nahegelegen, dies auch im Testament zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen erwecke das Testament den Eindruck, als sei es für die Eheleute selbstverständlich gewesen, daß das gemeinsame Vermögen an die Söhne der Ehefrau, die Beteiligten zu 1 und 2, fallen solle.
2. Diese Ausführun...