Entscheidungsstichwort (Thema)
einheitlicher Erfüllungsort
Leitsatz (amtlich)
1. a) Bei einem kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis ergibt sich aus der Natur der Sache ein einheitlicher Erfüllungsort i. S. d. § 29 Abs. 1 ZPO sowohl für den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises als auch für den Anspruch auf Rückgabe des Kaufgegenstands an dem Ort, an dem sich der Kaufgegenstand vertragsgemäß befindet. b) Werden kaufrechtliche Rückgewähransprüche vorgerichtlich durch einen Rechtsanwalt geltend gemacht, so ist der Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten am selben Ort zu erfüllen wie die Rückgewähransprüche.
2. Ein Verweisungsbeschluss gemäß § 281 ZPO ist wegen Willkür nicht bindend, wenn sich eine Zuständigkeit des verweisenden Gerichts nach den Umständen derart aufdrängt, dass die Verweisung als nicht auf der Grundlage des § 281 ZPO ergangen angesehen werden muss. Das kann der Fall sein, wenn sich der Kläger bereits in der Klageschrift darauf berufen hat, dass beim angegangenen Gericht der Gerichtsstand des Erfüllungsorts bestehe, und das Gericht dies nicht aufgreift.
Normenkette
EGZPO § 9; ZPO § 29 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 261 Abs. 3 Nr. 2, § 281 Abs. 1
Tenor
Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Kempten (Allgäu).
Gründe
I. Der im Bezirk des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) wohnende Kläger macht mit seiner zu diesem Gericht erhobenen Klage Ansprüche wegen Mängeln einer Kaufsache geltend. Ein gebrauchter Kinderwagen, den er von der in Köln wohnenden Beklagten auf deren eBay-Kleinanzeige hin gekauft habe, sei ihm beschädigt zugesandt worden. Auf die Aufforderung, den Kaufpreis und die von ihm getragenen Transportkosten zu erstatten, verbunden mit der Zusage, den Kinderwagen sodann zurückzusenden, habe die Beklagte erwidert, sie wolle erst den Kinderwagen zurückhaben und werde dann das Geld zurücküberweisen. Auf das anwaltliche Angebot, den Kinderwagen zurückzusenden, sobald der Erstattungsbetrag für Kaufpreis und Transportkosten auf einem Anwaltsanderkonto eingegangen sei, habe die Beklagte nicht reagiert. Mit seiner Klage macht der Kläger Ansprüche auf Erstattung des Kaufpreises i. H. v. 350,00 EUR und der Transportkosten i. H. v. 43,27 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i. H. v. 83,54 EUR nebst Zinsen geltend. Das Amtsgericht Kempten (Allgäu) sei zuständig, da der Kaufvertrag rückabgewickelt werden solle.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat unter anderem die Auffassung vertreten, dass zuständig für die Rückabwicklung bei einer Schickschuld das Gericht am Ort des Verkäufers sei, hier also das Amtsgericht Köln. Eine Holschuld für die Rückabwicklung sei nicht gegeben; bisher seien ein Rücktritt nicht erklärt und eine Rückgabe nicht angeboten worden. Der Kläger hat in der Folge die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Köln beantragt.
Mit Beschluss vom 5. September 2019 hat sich das Amtsgericht Kempten (Allgäu) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Köln verwiesen. Zur Begründung hat es lediglich ausgeführt, dass die Entscheidung auf § 281 Abs. 1 ZPO beruhe; das angegangene Gericht sei örtlich unzuständig; auf Antrag der Klagepartei habe sich das angegangene Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen.
Das Amtsgericht Köln hat sich mit Beschluss vom 8. Januar 2020 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache mit Beschluss vom 4. Februar 2020 dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.
Im Bestimmungsverfahren hat der Kläger seine Auffassung bekräftigt, dass das Amtsgericht Kempten (Allgäu) zuständig sei; er habe die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Köln aufgrund eines - nicht in den Akten befindlichen - Hinweises des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) aus Anlass der Zuständigkeitsrüge der Beklagtenseite beantragt. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
II. Auf die zulässige Vorlage des Amtsgerichts Köln ist die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) auszusprechen.
1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 34 m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
Das Amtsgericht Kempten (Allgäu) hat sich durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 5. September 2019 (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO) für unzuständig erklärt, das Amtsgericht Köln durch die zuständigkeitsverneinende Entscheidung vom 8. Januar 2020. Die jeweils ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12 m. w. N.). Nicht nur der Verweisungsbeschluss selbst ist gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbar, sondern auch der Beschluss, mit dem sich das Gericht, an das verwiesen worden ist, seinerseits für unzuständig erklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 1978, IV ...