Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung und Herausgabe
Normenkette
BGB § 564b Abs. 2 Nr. 2 S. 2, § 571 Abs. 1; WEG § 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die Beklagte ist seit September 1979 Mieterin einer Wohnung in einem Anwesen, das die Kläger und ein weiteres Ehepaar Ende des Jahres 1979 als Miteigentümer zu je einem Viertel erworben haben. Mit notariellem Vertrag vom 29.10.1990 begründeten die Kläger und ihre Miteigentümer Wohnungseigentum. Das Anwesen wurde in zehn Wohneinheiten aufgeteilt. Den Klägern und dem zweiten Ehepaar wurden jeweils 500 Tausendstel Miteigentumsanteile zugeordnet, verbunden mit dem Sondereigentum an jeweils fünf Wohnungen. Am 26.11.1990 wurden die Kläger als Eigentümer der an die Beklagte vermieteten Wohnung im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 20.4.1991 kündigten sie das mit der Beklagten bestehende Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für ihre Tochter. Die Beklagte wies die Kündigung der Kläger als rechtsunwirksam zurück. Ihre Räumungsklage wurde vom Amtsgericht abgewiesen, weil die Sperrfrist des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Sätze 2 bis 4 BGB zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren Räumungsanspruch weiter. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 10.3.1993 die folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Darf der Eigentümer einer Wohnung sich als Vermieter auf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinn des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB (Eigenbedarf) ohne Rücksicht auf die in Satz 2 der Vorschrift bestimmte Wartefrist berufen, wenn er erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter das Hausgrundstück als Miteigentümer in einer Bruchteilsgemeinschaft mit Dritten erworben hat und die Erwerber das Miteigentum gemäß § 3 WEG in der Weise beschränkt haben, daß jedem Miteigentümer abweichend von § 93 BGB das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung eingeräumt wird?
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung sei innerhalb der fünfjährigen Wartefrist gemäß § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 BGB i.V.m. § 1 der Verordnung über die Gebiete mit fünfjähriger Sperrfrist für Kündigungen wegen Eigenbedarfs vom 9.10.1990 (Kündigungssperrfristverordnung, BayGVBl 1990, 443) erklärt worden. Sie sei daher unwirksam, wenn die Sperrfrist eingreife. Die Kammer neige dazu, dies zu bejahen. Bei der Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 WEG würden die Bildung von Wohnungseigentum und dessen rechtliche Zuordnung an einzelne Wohnungseigentümer in einem Akt zusammengefasst.
Mit der Einräumung von Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung an einen Miteigentümer ändere sich die Rechtsträgerschaft, daher sei dies als Veräußerung im Sinn von § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB anzusehen. Diese Vorschrift beruhe auf der Überlegung, daß der Mieter einer Wohnung, an der nachträglich Wohnungseigentum begründet worden sei, eines erhöhten Bestandsschutzes bedürfe, wenn die Wohnung nach dieser Rechtsänderung von einer mit dem bisherigen Vermieter nicht identischen Person erworben werde. Ein erhöhter Bestandsschutz sei auch dann notwendig, wenn sich der Kreis der Eigentümer von den Mitgliedern einer Bruchteilsgemeinschaft auf einen einzelnen Wohnungseigentümer beschränke. Die Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung und, soweit bekannt, noch nicht durch Rechtsentscheid entschieden. Der Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 26.3.1987 habe nicht bindend über die Auslegung von § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB entschieden, denn er sei zu der ähnlich gelagerten Vorschrift des § 11 XII. BMG ergangen. Wenn aber eine Bindungswirkung dieses Rechtsentscheids zu bejahen wäre, ergäbe sich die Vorlagepflicht aus dem Umstand, daß die Kammer davon abweichen wolle.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage, über die das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden hat (BayObLGZ 1991, 348/350 und ständige Rechtsprechung), ist statthaft (§ 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO, vgl. BayObLGZ 1989, 319/321) und zulässig.
- Für die Entscheidung über die Berufung der Kläger, mit der sie ihren Räumungsanspruch weiterverfolgen, kommt es darauf an, ob die auf Eigenbedarf im Sinn von § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB gestützte Kündigung des Mietverhältnisses vom 20.4.1991 durchgreift. Diese Kündigung wäre unwirksam, wenn die von den Klägern und den weiteren Bruchteilseigentümern durch Vertrag vom 29.10.1990 vorgenommene Begründung von Wohnungseigentum, bei der den Klägern das Sondereigentum an der von der Beklagten gemieteten Wohnung eingeräumt worden ist, als Veräußerung im Sinn von § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB zu werten wäre. In diesem Fall wäre das Berufungsverfahren zur Endentscheidung reif.
- Das Landgericht geht davon aus, daß der Vertrag der Bruchteilseigentümer (§ 1008 BGB) vom 29.10.1990 eine Begründung von Wohnungseigentum im Sinn von § 3 WEG darstellt, bei der – anders als in der dem Rechtsentscheid des Senats vom 24.11.1981 (BayObLGZ 1981, 343) zugrunde liegenden Teilung g...