Leitsatz (amtlich)
Der Eigentümer einer Wohnung darf sich als Vermieter grundsätzlich auf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB (Eigenbedarf) ohne Rücksicht auf die in Satz 2 der Vorschrift bestimmte Wartefrist berufen, wenn er erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter das Hausgrundstück als Miteigentümer in einer Bruchteilsgemeinschaft mit Dritten erworben hat und die Erwerber das Miteigentum gemäß § 3 WEG in der Weise beschränkt haben, daß jedem Miteigentümer abweichend von § 93 BGB Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung eingeräumt wird.
Normenkette
BGB § 564b Abs. 2 Nr. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Eigentümer einer Wohnung darf sich als Vermieter grundsätzlich auf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB (Eigenbedarf) ohne Rücksicht auf die in Satz 2 der Vorschrift bestimmte Wartefrist berufen, wenn er erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter das Hausgrundstück als Miteigentümer in einer Bruchteilsgemeinschaft mit Dritten erworben hat und die Erwerber das Miteigentum gemäß § 3 WEG in der Weise beschränkt haben, daß jedem Miteigentümer abweichend von § 93 BGB Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung eingeräumt wird.
Tatbestand
I. Die Kläger haben Ende 1979 zusammen mit einem weiteren Ehepaar als Miteigentümer zu je 1/4 ein Anwesen erworben, in welchem die Beklagte am 20. Juli 1979 eine Wohnung angemietet hat. Mit Vertrag vom 29. Oktober 1990 begründeten die Miteigentümer Wohnungseigentum. Sie teilten das Anwesen in zehn Wohneinheiten auf. Den Klägern sowie den beiden anderen Miteigentümern wurden jeweils 500/1000 Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an jeweils fünf Wohnungen zugeordnet. Die Kläger wurden am 26. November 1990 als Eigentümer der an die Beklagte vermieteten Wohnung im Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 20. April 1991 kündigten sie das Mietverhältnis gegenüber der Beklagten wegen Eigenbedarfs für ihre Tochter zum 30. April 1992. Die Beklagte hält die Kündigung für rechtsunwirksam und hat ihr widersprochen. Die daraufhin von den Klägern erhobene Räumungsklage hat das Amtsgericht München abgewiesen, weil die Sperrfrist des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Das auf die Berufung der Kläger mit der Sache befaßte Landgericht München I möchte die Klage ebenfalls abweisen, weil sich durch die Begründung von Wohnungseigentum die Rechtsträgerschaft hinsichtlich der Mietwohnung geändert habe und dieser Vorgang nach Sinn und Zweck des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB als Veräußerung anzusehen sei, durch die die Sperrfrist in Lauf gesetzt werde. Es hat deshalb durch Beschluß vom 10. März 1993 (WuM 1993, 258) dem Bayerischen Obersten Landesgericht folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Darf der Eigentümer einer Wohnung sich als Vermieter auf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinn des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB (Eigenbedarf) ohne Rücksicht auf die in Satz 2 der Vorschrift bestimmte Wartefrist berufen, wenn er erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter das Hausgrundstück als Miteigentümer in einer Bruchteilsgemeinschaft mit Dritten erworben hat und die Erwerber das Miteigentum gemäß § 3 WEG in der Weise beschränkt haben, daß jedem Miteigentümer abweichend von § 93 BGB Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung eingeräumt wird?
Das Bayerische Oberste Landesgericht möchte im gleichen Sinn wie das Landgericht München I entscheiden, sieht sich hieran jedoch durch einen Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 26. März 1987 (WuM 1987, 138 = ZMR 1987, 216) gehindert. Nach jenem Rechtsentscheid darf sich der Vermieter einer preisgebundenen Altbauwohnung auf berechtigte Interessen an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB (Eigenbedarf) ohne Rücksicht auf die in § 11 XII. Bundesmietengesetz (BMG) bestimmte Wartefrist berufen, wenn er nach Überlassung der Wohnung an den Mieter das Hausgrundstück als Miteigentümer in einer Bruchteilsgemeinschaft mit Dritten erworben hat und die Erwerber das Eigentum am Grundstück gemäß § 3 und/oder § 8 WEG in der Weise unter sich in Wohnungseigentum aufgeteilt haben, daß sie mit jedem ihnen zustehenden Miteigentumsanteil (bzw. Teilanteil) das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung verbunden haben.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat deshalb die ihm vom Landgericht München I vorgelegte Frage mit Beschluß vom 9. Februar 1994 dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (WuM 1994, 189 = ZMR 1994, 154 = GE 1994, 283).
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Begriff der Veräußerung sei in § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB nicht definiert. Der Anwendungsbereich des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB erfasse nach dem Schutzzweck der Bestimmung aber alle Formen einer freiwilligen rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung. Entscheidend sei, daß der Mieter einer Wohnung, an der nachträglich Wohnungseigentum begründet worden sei, eines erhöhten Bestandsschutzes bedürfe, wenn die Wohnung nach der Umwandlung von einer Person erworben werde, die mit dem bisherigen Vermieter nicht identisch sei, und daß die freiwillige rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung gemäß § 571 Abs. 1 BGB immer einen Wechsel in der Person des Vermieters zur Folge habe. Dies sei auch der Fall, wenn mehrere Bruchteilseigentümer eines Hausgrundstücks, die zugleich Vermieter sind. Wohnungseigentum durch vertragliche Einräumung von Sondereigentum bildeten. Die Begründung von Wohnungseigentum gemäß § 3 WEG stelle deshalb grundsätzlich eine Veräußerung im Sinne von § 571 BGB dar, woraus folge, daß mit der vertraglichen Einräumung und der Eintragung von Sondereigentum im Grundbuch die Sperrfrist des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB in Lauf gesetzt werde.
Zwar könne in der überwiegenden Zahl der Fälle das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs desjenigen Miteigentümers, dem die Wohnung später als Sondereigentum zugewiesen werde, vor der Begründung von Wohnungseigentum gekündigt werden. Für die Anwendung des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB sprächen jedoch Gründe der Rechtssicherheit und -klarheit, weil sich der Mieter, dem mit der Begründung des Wohnungseigentums anstelle der bisherigen Eigentümergemeinschaft der einzelne Eigentümer als Vermieter gegenübertrete, auf den Lauf der Sperrfrist einstellen könne und zwischen der Begründung und Veräußerung des Wohnungseigentums ein gewisser zeitlicher Zusammenhang gewahrt bleibe. Interessen des Vermieters würden nicht über Gebühr beeinträchtigt, weil dieser es in der Hand habe, seinen Eigenbedarf gegebenenfalls vor der Begründung von Wohnungseigentum geltend zu machen.
Entscheidungsgründe
II. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 541 Abs. 1 ZPO sind gegeben.
1. Die Vorlagefrage stellt sich in einem Rechtsstreit über den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum, den das Landgericht als Berufungsgericht zu entscheiden hat (§ 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie ist auch erheblich.
a) Maßgeblich ist die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach vorliegend Wohnungseigentum gemäß § 3 WEG begründet worden sei. Davon ist auch das vorlegende Bayerische Oberste Landesgericht ausgegangen. Würde die Sperrfrist des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB dadurch in Lauf gesetzt werden, wäre die Klage ohne weiteres abzuweisen, weil die Sperrfrist im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht abgelaufen gewesen wäre und eine während des Laufes der Sperrfrist ausgesprochene Kündigung nach ganz herrschender Auffassung unzulässig ist (OLG Hamm WuM 1981, 35; Palandt/Putzo, BGB, 53. Aufl., Rdnr. 51; MünchKommBGB-Voelskow, 2. Aufl., Rdnr. 61; Fischer-Dieskau/Franke, Wohnungsbaurecht, Anm. 23.5 jeweils zu § 564b; Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., Kap. IV Rdnr. 76c).
b) Die Vorlage ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine Beweisaufnahme ergeben könnte, daß der behauptete Eigenbedarf nicht besteht und es dann auf die Vorlagefrage nicht mehr ankäme. Das Landgericht ist zur Vorlage stets schon verpflichtet, wenn die Berufung, über die es zu entscheiden hat, auch nur bei einer der möglichen Antworten, die auf die Rechtsfrage gegeben werden könnte, ohne Beweisaufnahme zur Endentscheidung reif ist (BGHZ 103, 91, 94 m.w.Nachw.).
2. Mit der beabsichtigten Entscheidung würde das Bayerische Oberste Landesgericht von dem erwähnten Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 26. März 1987 (aaO) abweichen (§ 541 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Nach Auffassung des Kammergerichts sind die Voraussetzungen für den Beginn der Sperrfrist nicht gegeben, wenn Wohnungseigentum nach § 3 oder nach § 8 WEG begründet wird, weil es an der nach § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB erforderlichen Veräußerung des Wohnungseigentums fehle und die Begründung von Wohnungseigentum ohne anschließende Veräußerung für den Vermieter keine Frist in Lauf setze. Da die Bestimmung das Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG über die ganz allgemein geltenden Schutzvorschriften des sozialen Mietrechts hinaus zusätzlich einschränke, sei sie als Sondervorschrift eng auszulegen und könne deshalb auch nicht entsprechend auf andere Fälle des Erwerbs von Wohnungseigentum angewendet werden.
a) Das vorlegende Gericht geht zu Recht davon aus, daß jener Rechtsentscheid auch den hier zu beurteilenden Sachverhalt erfaßt, weil er (auch) die Begründung von Wohnungseigentum gemäß § 3 WEG und die Auslegung von § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB betrifft.
b) Er ist zwar zu § 11 XII. BMG ergangen. Diese Bestimmung unterscheidet sich von § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB jedoch nur dadurch, daß sie auf die Preisbindung von Altbauwohnungen abstellt und die Fristenregelung anders ausgestaltet. Die hier entscheidungserhebliche Frage, ob die Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 WEG die Sperrfrist in Lauf setzt, kann für beide Vorschriften aber nicht unterschiedlich beantwortet werden, weil nach beiden der Beginn der Sperrfrist davon abhängt, daß an der Wohnung nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden ist (vgl. § 11 XII. BMG vom 3. August 1982, BGBl. I 1106). Das Kammergericht hat die grundsätzliche Bedeutung der ihm in jenem Verfahren vorgelegten Rechtsfrage gerade im Hinblick auf § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB bejaht.
III. Der Senat beantwortet die ihm vorgelegte Rechtsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
1. Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich der Erwerber gemäß § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB auf berechtigte Interessen im Sinne von § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB (Eigenbedarf) nicht vor Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung an ihn berufen. In Gebieten mit Wohnraummangel, die durch Verordnung der Landesregierungen bestimmt werden, verlängert sich die Sperrfrist auf fünf Jahre (§ 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 und 4 BGB).
In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob die Sperrfrist auch schon bei Begründung von Wohnungseigentum gemäß § 3 WEG in Lauf gesetzt wird.
a) Im Schrifttum wird dies in Übereinstimmung mit dem Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 26. März 1987 ganz überwiegend verneint, weil es an einer Veräußerung des Wohnungseigentums fehle (Palandt/Putzo aaO Rdnr. 49; Soergel/Kummer, BGB, Nachträge 11. Aufl., Rdnr. 48; Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., 2. Bearbeitung 1981 Rdnr. 77; Erman/Jendrek, BGB, 9. Aufl., Rdnr. 23; MünchKommBGB-Voelskow aaO Rdnr. 62; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., Rdnr. 51; Fischer-Dieskau/Franke aaO Anm. 23.4; Barthelmess, Wohnraumkündigungsschutzgesetz, 4. Aufl., Rdnr. 84 jeweils zu § 564b BGB; Grapentin aaO Kap. IV Rdnr. 76b; Sonnenschein NJW 1982, 1249, 1255; Börstinghaus WuM 1991, 419, 420; Börstinghaus/Meyer NJW 1993, 1353, 1356).
b) Schmid (WuM 1982, 34) und Karl (ZMR 1991, 288) verneinen zwar ebenfalls eine Veräußerung im rechtstechnischen Sinn, befürworten aber eine entsprechende Anwendung der Bestimmung (ebenso Lechner WuM 1982, 36 und Schläger ZMR 1987, 241, 244).
c) Demgegenüber meinen Sternel (Mietrecht, 3. Aufl., Kap. IV Rdnr. 145; ders. WuM 1987, 339, 343; ders. ZMR 1988, 201, 204) und Blank (Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl., B 643), schon die Begründung von Wohnungseigentum gemäß § 3 WEG sei als Veräußerung zu werten, weil die Umwandlung der Bruchteilsgemeinschaft in eine Wohnungseigentümergemeinschaft eine Änderung in der Rechtszuständigkeit auf Seiten des Vermieters bewirke und eine Veräußerung im Sinne von § 571 BGB und § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB darstelle.
d) Die zuletzt genannte Auffassung, der sich auch das Bayerische Oberste Landesgericht anschließen möchte, hat in der Rechtsprechung Zustimmung gefunden (OLG Karlsruhe WuM 1990, 330; LG München WuM 1991, 591; AG Stuttgart Bad-Cannstatt WuM 1990, 353; für mindestens entsprechende Anwendung LG Stuttgart WuM 1991, 555; mit anderer Begründung AG Frankfurt WuM 1981, 233).
2. a) Der Senat folgt der vom Kammergericht und im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung. Gemäß § 3 WEG wird Wohnungseigentum begründet, indem das Miteigentum an einem Grundstück durch Vertrag der Miteigentümer in der Weise beschränkt wird, daß jedem der Miteigentümer das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung in einem auf dem Grundstück errichteten Gebäude eingeräumt wird. Die Teilungsvereinbarung enthält zwar eine Verfügung, durch die das Miteigentum inhaltlich geändert und durch die gegenseitige Einräumung von Sondereigentum beschränkt wird (Pick in Bärmann/Pick/Merle, Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 51; Weitnauer, Wohnungseigentumsgesetz 7. Aufl., Rdnr. 17 vor § 1). Auch wenn dabei Teile des Gebäudes, die nach allgemeinem Recht nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können, aus dem Verband des gemeinschaftlichen Rechts herausgelöst und in das Alleineigentum des in Betracht kommenden Wohnungseigentümers überführt werden (Weitnauer aaO § 3 Rdnr. 5; AG Stuttgart Bad-Cannstatt aaO), handelt es sich nicht um die Veräußerung des Wohnungseigentums, wie sie § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB voraussetzt. Durch die Teilungsvereinbarung und die nachfolgende Eintragung im Grundbuch entsteht vielmehr erst in der jeweiligen Person des bisherigen Miteigentümers Wohnungseigentum (BayOblGZ 1981, 183; Röll, Teilungserklärung und Entstehung des Wohnungseigentums S. 44; Pick, Schmid, Karl jeweils aaO). Seinem Wortlaut nach greift § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB aber nicht schon bei der Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 oder § 8 WEG ein, sondern setzt zusätzlich dessen nachfolgende Veräußerung voraus.
b) Die Bestimmung ist auch nicht deshalb über ihren Wortlaut hinaus schon bei der Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 WEG anzuwenden, weil der jeweilige Wohnungseigentümer anstelle der früheren Miteigentümergemeinschaft gemäß § 571 BGB als Vermieter in das Mietverhältnis eintritt. § 571 BGB knüpft an die Veräußerung des vermieteten Grundstücks an und bewirkt, daß der Erwerber in die Rechte und Pflichten des Vermieters eintritt. Die Formulierung des Gesetzes macht deutlich, daß es den Fall der Veräußerung an einen Erwerber regelt, der bis zum Erwerb nicht Vermieter war. Davon unterscheidet sich sowohl die Beschränkung von Miteigentum nach § 3 WEG als auch die „Vorratsgründung” von Wohnungseigentum durch eine Bruchteilsgemeinschaft nach § 8 WEG.
Im zuletzt genannten Fall tritt – wegen Fortsetzung der Bruchteilsgemeinschaft am Wohnungseigentum – eine Veränderung auf Vermieterseite nicht ein. Im Falle des § 3 WEG tritt zwar eine Rechtsänderung auf der Vermieterseite ein. Das geschieht aber nicht durch Eintritt des Sondereigentümers in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis über die betreffende Wohnung, sondern in der Weise, daß er als alleiniger Vermieter übrig bleibt. Deshalb kommt hier allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 571 BGB in Betracht. Ob § 571 BGB, wie Sternel und Blank (jeweils aaO) meinen, jede Änderung in der Rechtszuständigkeit, mithin auch den vorliegenden Sachverhalt erfaßt, begegnet Bedenken, weil die Bestimmung bezweckt, die Rechtsstellung des Mieters durch eine Veräußerung weder zu verschlechtern, noch zu verbessern (Erman/Jendrek aaO Rdnr. 1; Staudinger/Emmerich aaO Rdnr. 2a; Roquette, Mietrecht Rdnr. 1 jeweils zu § 571). Das bedarf indessen keiner Vertiefung. Denn jedenfalls kommt auch eine entsprechende Anwendung des § 571 BGB nicht in Betracht, wenn schon zu einer entsprechenden Anwendung des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB wegen dessen Schutzfunktion keine Veranlassung besteht. Denn § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB sieht für einen bestimmten Sonderfall einen zusätzlichen, über § 571 BGB hinausgehenden Mieterschutz vor.
c) Die in § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB enthaltene Regelung ist durch das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz vom 18. Dezember 1974 (BGBl I 3603) in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden und fand sich zuvor schon im Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz (WKSchG) vom 25. November 1971 (BGBl I 1839). Dieser Bestimmung lag die Erwägung zugrunde, daß gerade der Erwerb umgewandelter Mietwohnungen regelmäßig zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs erfolgt und der erstrebte Bestandsschutz für den Mieter hier besonders gefährdet ist (Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. VI/2421 S. 3; Vogel JZ 1975, 73, 75; Giese BB 1968, 1271; Schmidt-Futterer, ZMR 1974, 37; Staudinger/Sonnenschein aaO). Der Mieter soll mit ihr vor „willkürlichen Kündigungen” geschützt werden (Regierungsbegründung zum 2. WKSchG. BT-Drucks. VII/2011 S. 7; OLG Hamm WuM 1981, 36), die regelmäßige Folge eines durch die Veräußerung erst geschaffenen Eigenbedarfs sind (ebenso auch Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters bei Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen BT-Drucks. 11/6374 S. 6). Darüber hinaus hat die Bestimmung den Zweck, den wirtschaftlichen Anreiz zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und insbesondere deren oft spekulative Veräußerung einzudämmen (BayObLGZ 1992, 187, 190; OLG Hamm aaO; Lechner aaO; Börstinghaus WuM 1991, 419). Für den von ihr gewährleisteten Bestandsschutz spielt auch der Gesichtspunkt eine Rolle, daß für den Mieter einer „herkömmlichen Mietwohnung” das Risiko der Eigenbedarfskündigung eher kalkulierbar ist, während er sich bei späterer Umwandlung und Veräußerung unmittelbar mit dem Eigennutzungswunsch des Erwerbers konfrontiert sieht (Blank in: Festschrift für Bärmann und Weitnauer, Partner im Gespräch, Bd. 18, S. 87, 93; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, 3. Aufl., § 119 Rdnr. 2).
aa) Auf den Schutz vor einer unabhängig von der Umwandlung bestehenden Eigenbedarfslage ist die Bestimmung nach ihrem Normzweck somit nicht zugeschnitten (vgl. auch OLG Hamm WuM 1992, 460). Deshalb hat der Gesetzgeber – entgegen schon im Gesetzgebungsverfahren zum 1. WKSchG unterbreiteten Vorschlägen, nach denen ein Aufhebungsbegehren „im Zusammenhang mit der Begründung von Wohnungseigentum” ausgeschlossen sein sollte (vgl. Stellungnahme des Bundesrates BT-Drucks. VI 1549, S. 27) – die Begründung und die Veräußerung des Wohnungseigentums als Tatbestandsmerkmale in § 1 Abs. 2 Nr. 2 des 1. WKSchG und später in § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB aufgenommen, um zu verhindern, daß der Bestandsschutz schon bei der Begründung von Wohnungseigentum durch den bisherigen Eigentümer zur Anwendung gelangt, obwohl es dann an der von der Bestimmung vorausgesetzten erhöhten Gefahr der Geltendmachung von Eigenbedarf fehlt (Karl aaO).
bb) Insoweit bestehen aber zwischen der Begründung von Wohnungseigentum durch eine Miteigentümergemeinschaft und derjenigen durch einen Alleineigentümer keine grundlegenden Unterschiede. Denn auch ein Miteigentümer kann sich vor der Umwandlung ohne Rücksicht auf seine quotielle Beteiligung auf Eigenbedarf für sich und seine Familienangehörigen berufen (Schmidt-Futterer/Blank aaO B 635; Grapentin aaO Rdnr. 67; Palandt/Putzo aaO Rdnr. 44; Staudinger/Sonnenschein aaO Rdnr. 54; MünchKomm BGB-Voelskow aaO Rdnr. 58; LG Karlsruhe WuM 1982, 209, 210; LG Hamburg DWW 1991, 189).
Mit der Geltendmachung von Eigenbedarf muß der Mieter deshalb unabhängig davon rechnen, ob Vermieter eine Einzelperson oder eine Miteigentümergemeinschaft ist. Mußte und konnte der Mieter aber mit einer Eigenbedarfskündigung auch schon vor der Umwandlung rechnen, wenn Vermieter eine Miteigentümergemeinschaft war, so besteht dieses Risiko nach der Umwandlung unverändert fort. Das nach dem Schutzzweck der Norm vorausgesetzte erhöhte Risiko einer erst durch die Begründung und Veräußerung des Wohnraumes geschaffenen Eigenbedarfslage verwirklicht sich – ebenso wie im Fall der Begründung von Wohnungseigentum durch einen Alleineigentümer – gerade nicht.
cc) Es läßt sich in Fällen des § 3 WEG auch nicht damit begründen, daß vor der Umwandlung nicht nur der einzelne Mieter, sondern sämtliche anderen Mitmieter als potentielle Adressaten einer Eigenbedarfskündigung zur Verfügung gestanden haben würden (so LG Stuttgart WuM 1991, 555; Köhler aaO § 119 Rdnr. 2). Zum einen „verringert” sich das Risiko für den Mieter durch den Wegfall der übrigen Miteigentümer auf der Vermieterseite entsprechend, von denen vor der Umwandlung jeder einzelne Eigenbedarf anmelden konnte. Zum anderen kann der Vermieter grundsätzlich wählen, welchem von mehreren Mietern er kündigen will (BayObLG NJW 1982, 1159; Schopp ZMR 1975, 97, 100; Erman/Jendrek aaO § 564b Rdnr. 20; Staudinger/Sonnenschein aaO Rdnr. 69; Barthelmess aaO Rdnr. 70a; Harke ZMR 1991, 81, 89). Demgegenüber kann sich der gekündigte Mieter nicht darauf berufen, daß einem anderen Mieter hätte gekündigt werden müssen. Seine Belange sind vielmehr auf seinen Widerspruch hin erst im Rahmen des § 556a BGB zu berücksichtigen (BGHZ 103, 91). Daran soll auch die Bestimmung des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB nichts ändern. Anderenfalls würde sich der Bestandsschutz des Mieters infolge der Umwandlung erhöhen, was weder mit dem Gesetzeszweck noch mit der gebotenen Abwägung zwischen dem Eigennutzungsrecht des Vermieters und dem Bestandsinteresse des Mieters in Einklang stünde (vgl. auch Fischer-Dieskau/Franke aaO; OLG Hamm WuM 1992, 460).
dd) Nach allem kann der Miteigentümer auch nicht darauf verwiesen werden, er könne gegebenenfalls seinen Eigenbedarf schon vor der Umwandlung geltend machen. Denn dieses Recht steht dem Eigentümer, unabhängig davon, ob er vor der Umwandlung Allein- oder Miteigentum besaß, auch noch zu, wenn sein Eigenbedarf erst nach der Umwandlung entsteht. Jede andere Auslegung würde zu einer erheblichen Schlechterstellung desjenigen Eigentümers führen, der vor der Umwandlung nur Miteigentum besaß. Der Senat sieht dafür auch im Hinblick auf die sich insoweit aus Art. 14 und 3 GG ergebenden Bedenken keine Rechtfertigung.
3. Der Senat verkennt nicht, daß in anders gelagerten Fällen das Bestandsinteresse des Mieters schon bei Umwandlung nach § 3 WEG in gleicher Weise wie bei einer nachfolgenden Veräußerung berührt sein kann (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1993, 405; Pause NJW 1990, 807; Grapentin aaO). Das rechtfertigt jedoch nicht die Anwendung des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB auf Sachverhalte der hier zu beurteilenden Art. die dem Normzweck nicht unterfallen. Eine generell weite Auslegung oder entsprechende Anwendung der Bestimmung auf alle Fälle der Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 WEG scheidet nicht zuletzt deshalb aus, weil der Gesetzgeber selbst § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters bei Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen vom 20. Juli 1990 (BGBl I 1456) nur hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist verschärft, aber an den Voraussetzungen der Begründung und Veräußerung des Wohnungseigentums in Kenntnis damit verbleibender, die Mieterinteressen berührender Gestaltungsmöglichkeiten festgehalten hat (vgl. nur Pause aaO). Ebensowenig hat Art. 14 Investitions- und Wohnbaulandgesetz vom 22. April 1993 (BGBl I 466) insoweit eine Änderung gebracht (vgl. auch zu den im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens unterbreiteten weitergehenden Vorschlägen, nach denen schon die Begründung von Wohnungseigentum weitgehend eingeschränkt werden sollte, Börstinghaus/Meyer NJW 1993, 1353 ff).
Inwieweit die Berufung auf Eigenbedarf nach einer Umwandlung gemäß § 3 WEG in bestimmten Fällen rechtsmißbräuchlich sein kann, muß deshalb der Beurteilung der Umstände des Einzelfalls überlassen bleiben (vgl. OLG Karlsruhe aaO; Börstinghaus/Meyer aaO). Dem hat der Senat durch entsprechende Formulierung der Entscheidungsformel Rechnung getragen, ohne daß der hier zu beurteilende Sachverhalt eine Stellungnahme zu dieser Frage veranlaßt.
Unterschriften
Wolf, Dr. Zülch, Dr. Hübsch, Ball, Wiechers
Fundstellen
Haufe-Index 875200 |
BGHZ |
BGHZ, 357 |
NJW 1994, 2542 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1994, 1451 |