Entscheidungsstichwort (Thema)

Vor- und Nacherbschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zustimmung einer minderjährigen, unter einer aufschiebenden Bedingung eingesetzten Nacherben zur Veräußerung des Grundstücks bedarf ebenso wie die Bewilligung der Löschung des Nacherbenvermerks als Verfügung über die rechtlich gesicherte Anwartschaft der Nacherben auf den Erwerb des Miteigentums am Grundstück gemäß § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung.

2. Gemäß § 182 Abs. 1 BGB kann die Zustimmung des Nacherben zu einer Verfügung des Vorerben sowohl diesem als auch dem Erwerber des Erbschaftsgegenstands gegenüber erklärt werden.

 

Normenkette

BGB § 182 Abs. 1, § 1821 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 29.08.1994; Aktenzeichen 1 T 13506/94)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten werden der Beschluß des Landgerichts München I vom 29. August 1994 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – München vom 9. Mai 1994 aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind als Eigentümer von Grundstücken in mehrfacher Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Die Beteiligte zu 3 ist laut Eintragungsvermerk in Abteilung II bezüglich der Hälfte eines Erbteils, der ihr als Erbeserbin zusteht, nur Vorerbin. Nacherben für den Fall ihrer Wiederverheiratung sind ihre minderjährigen Söhne, die Beteiligten zu 4.

Die Beteiligten zu 1 bis 4 verkauften zu notarieller Urkunde vom 10.12.1993 zwei der Grundstücke an die Beteiligten zu 5; die Beteiligte zu 3 handelte dabei auch als gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 4. In der Urkunde ist auch die Auflassung erklärt und deren Eintragung sowie die Löschung des Nacherbenvermerks bewilligt. Das zuständige Amtsgericht erteilte mit Beschluß vom 15.12.1993 die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu dem am 10.12.1993 abgeschlossenen Kaufvertrag „sowie zur Auflassung und zu allen in der bezeichneten Urkunde enthaltenen genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften”.

Das Grundbuchamt hat den Antrag, die Auflassung in das Grundbuch einzutragen und den Nacherbenvermerk zu löschen, mit Zwischenverfügung vom 9.5.1994 beanstandet. In der Bewilligung, den Nacherbenvermerk zu löschen, sei zugleich die Zustimmung zur Veräußerung der Grundstücke zu sehen. Die Beteiligte zu 3 sei hierbei jedoch von der Vertretung der Beteiligten zu 4 ausgeschlossen gewesen. Es sei die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich. Dieser müsse sich durch Vorlage der Bestallungsurkunde ausweisen und die Löschung des Nacherbenvermerks bewilligen. Außerdem sei dazu die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich. Die Löschung ohne Bewilligung der Nacherben aufgrund Unrichtigkeitsnachweises wäre nur möglich, wenn die Beteiligte zu 3 die Grundstücke mit Zustimmung der Beteiligten zu 4 als Nacherben veräußert hätte. Für diese Zustimmung gelte jedoch dasselbe wie für die Zustimmung zur Löschung des Nacherbenvermerks.

Das Landgericht hat das gegen die Zwischenverfügung gerichtete Rechtsmittel der Beteiligten, dem Grundbuchrechtspfleger und -richter nicht abgeholfen haben, mit Beschluß vom 29.8.1994 zurückgewiesen. Die Beteiligten haben dagegen weitere Beschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Zwischenverfügung sei zu Recht erlassen worden. Es müsse unterschieden werden zwischen der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, soweit die Beteiligten zu 4 Miterben, und der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, soweit sie Nacherben seien. Als Nacherben hätten sie nur ein Anwartschaftsrecht inne und die Vorerbin eine Vertrauensstellung; die Beteiligten gingen davon aus, daß sie nicht von den gesetzlichen Beschränkungen befreit seien.

Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung vom 15.12.1993 erfasse grundsätzlich die Kaufverträge, die Auflassung und die Grundschuldbestellung, nicht jedoch im Sinne einer grundbuchrechtlichen Freigabe des Vollzugs die Löschung des Nacherbenvermerks. Diese sei von der Formulierung des Genehmigungsbescheids nicht gedeckt, da zu jenem Zeitpunkt noch kein Ergänzungspfleger bestellt gewesen sei und so dessen Löschungsbewilligung noch nicht vorgelegen habe.

Daß eine weitere vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich sei, ändere nichts an der rechtlichen Beurteilung. Sinn der Pflegschaftsregelung sei die Fürsorge und der Gedanke, daß das Mündelinteresse gewahrt werde. Gerade deshalb sei eine großzügige Handhabung des vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahrens nicht vertretbar.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Löschung des Nacherbenvermerks kann nicht von der Zustimmung oder Bewilligung eines Ergänzungspflegers und einer weiteren vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig gemacht werden.

a) Vor Eintritt des Falles der Nacherbfolge (§ 2139 BGB) kann der Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) entweder auf die Bewilligung des Nacherben oder gemäß § 22 Abs.1 GBO dann gelöscht werden, wenn er der Rech...

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