Entscheidungsstichwort (Thema)

Frist der Ablehnung wegen verzögerter Verfahrensführung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zu den (hier verneinten) Voraussetzungen, unter denen ein Richter wegen verzögerlichger Verfahrensführung (hier: Verfahren über das Umgangsrecht des Vaters mit seinem Kind) abgelehnt

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2; BGB § 1711

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Beschluss vom 10.12.1997; Aktenzeichen SA III 29/97)

AG Würzburg (Aktenzeichen VIII 9/97)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 10. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer (Beteiligter zu 1) ist der nichteheliche Vater des siebenjährigen Kindes, das bei der Mutter (Beteiligte zu 2) lebt. Das Verhältnis zwischen den Beteiligten ist belastet.

Im Rahmen eines Verfahrens zur Regelung des Umgangsrechts äußerte der Vater im Frühjahr 1995 gegenüber dem Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Nürnberg unter Schilderung persönlicher Beobachtungen den Verdacht, das Kind werde von den Großeltern (Eltern der Mutter) sexuell mißbraucht. Das Vormundschaftsgericht erholte daraufhin ein fachpsychologisches Gutachten, das unter Bewertung des geäußerten Mißbrauchsverdachts insbesondere dazu Stellung nehmen sollte, ob eine Beschränkung des Sorgerechts der Mutter veranlaßt und ob der Umgang des Vaters mit dem Kind dem Kindeswohl dient. Das Gutachten wurde Ende 1995 erstattet. Mit Beschluß vom 30.5.1996 räumte das Vormundschaftsgericht dem Vater ein „zunächst” auf postalischen und telefonischen Umgang beschränktes Verkehrsrecht ein. Diese Entscheidung wurde vom Vater angefochten, der sein Rechtsmittel jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht am 10.1.1997 zurücknahm.

Nach Umzug der Mutter und des Kindes übernahm das Amtsgericht Würzburg am 18.2.1997 das Verfahren. Am 5.5.1997 beantragte der Vater im Rahmen des Umgangsverfahrens die Verhängung von Sanktionen gegen die Mutter, da sie die Ausübung seines Umgangsrechts vereitele. Gleichzeitig beantragte er Akteneinsicht. Diese bewilligte der Vormundschaftsrichter am 27.8.1997, nachdem die Akten zuvor bis 15.7.1997 auf Anforderung in einer Unterhaltssache an das Landgericht Nürnberg-Fürth versandt waren und der zuständige Vormundschaftsrichter bis 25.8.1997 einen längeren Erholungsurlaub eingebracht hatte. Zu dem Ausgangsantrag des Vaters nahm die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter, die mehrmals unter Angabe konkreter Gründe Fristverlängerung beantragt und erhalten hatte, am 28.10.1997 Stellung. Mit Schriftsatz vom 6.11.1997 lehnte der Vater den Vormundschaftsrichter wegen Befangenheit ab. Diese begründete er im wesentlichen damit, daß der Vormundschaftsrichter das Verfahren in unzumutbarer Weise verzögere. Nachdem der abgelehnte Richter in einer dienstlichen Äußerung zum Verfahrensgang Stellung genommen hatte, stützte der Beschwerdeführer die Ablehnung zusätzlich auf eine dieser Stellungnahme angefügte Bemerkung des Richters, aus der er dessen ihm feindliche Einstellung ableiten müsse.

Mit Beschluß vom 10.12.1997, der dem Vater am 20.12.1997 zugestellt wurde, wies das Landgericht das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurück. In den Gründen ging das Landgericht ausführlich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers sowie auf den Verfahrensablauf einschließlich der eingetretenen Verzögerungen ein. Gegen diese Entscheidung wendet sich die mit Schriftsatz vom 31.12.1997 erhobene sofortige Beschwerde des Vaters.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde, über die das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden berufen ist (vgl. BayObLGZ 1977, 97), ist nicht begründet.

1. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 ZPO die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei muß es sich um einen Sachverhalt handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Würdigung Anlaß gibt, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 82, 30/38; BGHZ 77, 70/72; BayObLGZ 1987, 211/217; ständige Rechtsprechung des Senats).

Da die Pflicht des Richters zu unvoreingenommener neutraler Amtsführung die Verfahrensgestaltung umfaßt, können Verstöße gegen Verfahrensvorschriften grundsätzlich auch die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 20. Aufl. Rn. 20; Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. Rn. 11, jeweils zu § 42). Es muß sich aber um Verstöße von Gewicht handeln. Denn die Richterablehnung kann nicht auf den Verstoß als solchen, sondern nur darauf gestützt werden, daß sich der betroffenen Partei der Eindruck einer, auf Voreingenommenheit beruhenden Verfahrensgestaltung aufdrängt (vgl. OVG Münster NJW 1993, 2259; Zöller/Vollkommer § 42 Rn. 24). Das Richterablehnungsverfahren dient dem Schutz der Beteiligten davo...

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