Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit bei Antragsgegnermehrheit
Leitsatz (amtlich)
Eine Bestimmungsentscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Norm hinaus auch dann noch in Betracht, wenn die Antragsgegner bereits vor einem Gericht verklagt wurden und - wie hier - einzelne von ihnen die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend gemacht haben.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Landgericht München I bestimmt.
Gründe
I. Der im Landgerichtsbezirk Baden-Baden wohnhafte Antragsteller macht mit seiner zum Landgericht München I erhobenen Klage Ansprüche im Zusammenhang mit einer stillen Beteiligung und einem Darlehensvertrag geltend.
Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts München I. Ihr Geschäftsführer, der Antragsgegner zu 2), sowie die Antragsgegnerin zu 3) wohnen im Bezirk des Landgerichts Nürnberg-Fürth.
Nach dem Klagevortrag boten der Antragsgegner zu 2) und die Antragsgegnerin zu 3), dem Antragsteller Anfang 2015 eine stille Beteiligung an der Antragsgegnerin zu 1) und den Abschluss eines Darlehensvertrages an. Die Antragsgegnerin zu 3) soll Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zu 1) gewesen sein. Der Antragsteller trägt vor, mit der Antragsgegnerin zu 1) am 2. April 2015 einen Gesellschaftsvertrag über eine typische stille Beteiligung sowie einen "Vertrag über ein Gesellschafterdarlehen" geschlossen zu haben. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen wurden die Verträge in Baden-Baden unterzeichnet. Mit Anwaltsschreiben vom 4. September 2018 kündigte der Antragssteller beide Verträge fristlos. Die Antragsgegnerin zu 1) sei ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem Vertrag über die stille Beteiligung, insbesondere zur Vorlage des Jahresabschlusses nicht nachgekommen. Das Darlehen sei zweckwidrig verwendet worden. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegner überwiegend als Gesamtschuldner in Anspruch. Er ist der Ansicht, die Antragsgegnerin zu 1) schulde Rückzahlung der Einlage in Höhe von 55.000,00 EUR und der Darlehenssumme in Höhe von 180.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 27.990,00 EUR. Die Antragsgegner zu 2) und 3) seien ebenfalls zur Rückzahlung der Darlehenssumme verpflichtet. Ihre Schilderungen über die wirtschaftliche Situation der Antragsgegnerin zu 1) seien grob wahrheitswidrig gewesen.
Sie hafteten aus Verschulden bei Vertragsschluss und nach § 823 Abs. 1 und § 826 BGB. Schließlich ergebe sich die Haftung der Antragsgegner zu 2) und 3) aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15a Abs. 1 InsO; die Antragsgegnerin zu 1) sei bereits am 2. April 2015 insolvenzreif gewesen.
Die Antragsgegnerin zu 3) rügte in ihrer Klageerwiderung vom 14. Februar 2019 die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.
Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2019 beantragte der Antragsteller, das Landgericht München I als das zuständige Gericht zu bestimmen.
Die Antragsgegner hatten Gelegenheit, sich zu dem Bestimmungsantrag zu äußern. Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren Sitz in München bestätigt. Der Antragsgegner zu 2) habe dagegen zu keinem Zeitpunkt, auch nicht zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse in München gewohnt. Die Antragsgegnerin zu 3) hat eingewendet, Schadensersatzansprüche gegen sie seien erst vorstellbar, wenn Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1) feststünden und nicht erfüllt worden seien. Ein etwaiger späterer Prozess gegen sie sei vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zu führen.
II. Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht München I als (örtlich) gemeinsam zuständiges Gericht.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist das nach § 36 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständige Gericht, weil die Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Nürnberg) haben und das zuerst mit der Sache befasste Gericht in Bayern liegt.
2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Soweit der Antragsteller beantragt, das Landgericht München I zu bestimmen, wird dies lediglich als Anregung verstanden. Denn die Auswahl obliegt im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem bestimmenden Gericht.
Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist jedoch der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11).
b) Eine Bestimmungsentscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Norm hinaus auch dann noch in Betracht, wenn die Antragsgegner bereits vor einem Gericht verklagt wurden und - wie hier -einzelne von ihnen die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend gemacht haben (st. Rspr.; z. B. BGH, Beschluss vom 27. November 2011, X ARZ 321/18, juris Rn. 10; Beschluss vom 23. Februar 2011, X ARZ 388/10, NJW-RR 2011, 929 Rn. 6 f.; Toussaint in BeckOK, ZPO, 31...