Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsordnungswidrigkeit nach Anhörung der Staatsanwaltschaft
Verfahrensgang
AG Kempten (Urteil vom 11.03.1982) |
Tenor
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
- Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 11. März 1982 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
- Die Sache wird zu neuer Entscheidung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Kempten (Allgäu) hat am 11.3.1982 den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit der Verursachung unnötigen Lärms durch Laufenlassen des Motors (§ 30 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 49 Abs. 1 Nr. 25 StVO, § 24 StVG) zur Geldbuße von 20 DM verurteilt. Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Betroffene stand am 22.11.1981, einem Sonntag, morgens mit einem Taxi auf dem Taxistand des B… in K…. Dort ließ er ab 7.45 Uhr 5 bis 7 Minuten lang den Turbo-Diesel-Motor laufen, um das Innere des Fahrzeugs zu erwärmen. Kurz vor 8 Uhr ließ er nochmals den Motor 4 bis 5 Minuten lang laufen, um das Innere des Fahrzeugs erneut aufzuheizen und es etwaigen Fahrgästen zu ermöglichen, in ein warmes Taxi einzusteigen. Im Fahrzeug war keine Standheizung eingebaut. Während der Motor lief, läuteten die Kirchenglocken einer am B… liegenden Kirche. Eine anscheinend in der Nähe des Taxistandplatzes wohnende Zeugin fühlte sich durch den laufenden Motor in ihrer Morgenruhe gestört.
Mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, gegen den in förmlicher Hinsicht keine Bedenken bestehen, ist stattzugeben, da eine Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten erscheint (§ 80 Abs. 1 und 3 Satz 1 OWiG).
III.
Die damit zulässige Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, “er habe seinen Dienst gegen 7.45 Uhr am Taxistand B… angetreten und deshalb den Motor laufen lassen, um das Innere des Fahrzeugs zu erwärmen, zumal die Außentemperatur ca. minus 5 Grad aufwies”. Das Amtsgericht hat die Verurteilung des Betroffenen damit begründet, daß dieser den Motor innerhalb kurzer Zeit zweimal nur deshalb habe laufen lassen, “um das Innere des Fahrzeugs, in dem keine Standheizung angebracht ist, zu erwärmen, ohne jedoch unmittelbar darauf mit seinem Fahrzeug wegzufahren”. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Nach § 30 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StVO ist bei der Benutzung von Fahrzeugen innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums – unter anderem – unnötiger Lärm, insbesondere unnötiges Laufenlassen von Motoren verboten. Das Laufenlassen des Motors im Stand ist hiernach nicht allgemein, sondern nur dann verboten, wenn es “unnötig” ist. Letzteres ist nicht völlig gleichbedeutend mit “unvermeidbar”. Für die Annahme, das Laufenlassen des Motors sei “unnötig”, genügt deshalb nicht, daß der Fahrzeugführer überhaupt, wenn auch unter Zurückstellung eigener berechtigter Belange, die Möglichkeit hätte, vom Laufenlassen des Motors Abstand zu nehmen. Vielmehr ist erforderlich, daß ein vernünftiger technischer Grund hierfür nicht vorliegt (Mühlhaus/Janiszewski StVO 9. Aufl. § 30 Anm. 2). Damit stellt die Vorschrift nicht einseitig die Interessen des Umweltschutzes an einer Lärmvermeidung in den Vordergrund, sondern beruht auf einer Abwägung des Interesses des Fahrzeugführers, bei Vorliegen eines berechtigten Grundes den Motor auch im Stand laufen zu lassen, mit den Interessen etwaiger Lärmbetroffener an einer Vermeidung der vom laufenden Motor ausgehenden Belästigung. Dieser Zweck der Vorschrift ist auch bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen. Ebenso, wie sie, wie bereits ausgeführt, einerseits nicht dahin verstanden werden kann, daß der Fahrzeugführer eigene Interessen schlechthin hinter diejenigen an der Vermeidung von Lärm zurückzustellen hätte, kann ihr deshalb andererseits nicht entnommen werden, daß er, wenn ihm nur überhaupt ein anerkennenswertes eigenes Interesse am Laufenlassen des Motors zur Seite steht, dieses ohne Rücksicht auf entgegenstehende Interessen anderer durchsetzen dürfte. Dementsprechend kann bei Prüfung der Frage, ob ein bestimmter Anlaß für das Laufenlassen des Motors als ein die Annahme eines “unnötigen” Lärms entgegenstehender vernünftiger Grund anzusehen ist, nicht einseitig auf die Interessen des Fahrzeugführers abgestellt werden mit der Folge, daß dieser Anlaß das Laufenlassen des Motors in jedem Falle rechtfertigen würde. Vielmehr sind – ebenso wie im Rahmen des früheren § 360 Abs. 1 Nr. 11 StGB (vgl. hierzu BayObLGSt 1968, 96/98) und in demjenigen des § 117 OWiG (vgl. hierzu BayObLG vom 31.1.1977 – 3 Ob OWi 7/77 und vom 16.5.1980 – 3 Ob OWi 46/80; Göhler OWiG 6. Aufl. § 117 RdNrn. 5 ff.) – die Belange des Fahrzeugführers und diejenigen etwaiger Lärmbetroffener gegeneinander abzuwägen. Das Laufenlassen des Motors im Stand ist deshalb – ab...