Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 1 T 15525/92) |
AG München (Aktenzeichen UR II 345/92) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 2. Februar 1993 und des Amtsgerichts München vom 23. Juli 1992 aufgehoben.
II. Der Eigentümerbeschluß vom 16. April 1992 zu Tagesordnungspunkt 5.7 wird für ungültig erklärt.
III. Die Antragsgegnerin zu 1 hat die Gerichtskosten des Verfahrens in allen Rechtszügen zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Antragsteller gehört eine im Erdgeschoß des Rückgebäudes gelegene Wohnung. Dort hat er mit Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer im Jahr 1988 ein vorhandenes Blindfenster in ein offenes Fenster umgeändert.
Durch Eigentümerbeschluß vom 16.4.1992 (Tagesordnungspunkt 5.7) gestatteten die Wohnungseigentümer dem Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin zu 1, ein Fenster seines in der Teilungserklärung als Lagerraum beschriebenen Teileigentums in eine Tür umzuändern. Das Teileigentum liegt im Erdgeschoß des Rückgebäudes und wird vom Mieter als Fotostudio genutzt. Durch den Ausbau des Fensters als Tür soll erreicht werden, daß das Fotostudio vom Innenhof aus unmittelbar betreten werden kann.
Der Antragsteller hat beantragt, den Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat den Antrag am 23.7.1992 abgewiesen, das Landgericht hat die sofortige Beschwerde durch Beschluß vom 2.2.1993 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände sei die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses durch den Antragsteller rechtsmißbräuchlich. Dem Antragsteller sei im Jahr 1988 gestattet worden, ein Fenster einzubauen, wodurch der Wert seiner Wohnung erheblich gesteigert worden sei. Die von den Wohnungseigentümern verlangte öffentlich-rechtliche Genehmigung habe sich der Antragsteller nicht besorgt; auch habe er die bei den anderen Fenstern angebrachten erhabenen Umrandungen nicht angebracht. Wem selbst eine bauliche Veränderung genehmigt worden und wer dabei sehr selbständig vorgegangen sei, der könne nicht kurze Zeit später zu einer vergleichbaren baulichen Veränderung durch einen anderen Wohnungseigentümer seine Zustimmung verweigern, ohne rechtsmißbräuchlich zu handeln. Hinzu komme, daß der Antragsteller die von ihm behaupteten zusätzlichen Belästigungen erst auf Grund des von ihm eingebauten Fensters wahrnehmen könne. Der in der Teilungserklärung als Lagerraum ausgewiesene Raum sei schon vor der Teilung als Fotostudio genutzt worden; diese Nutzung sei im Kaufvertrag ausdrücklich zugebilligt worden. Der Mieter habe glaubhaft versichert, daß die Nutzung nicht ausgeweitet oder auch nur geändert werde. Durch den unmittelbaren Zugang zu dem Fotostudio nähmen Belästigungen eher ab. Eine ästhetisch-optische Beeinträchtigung werde durch die Auflagen im Genehmigungsbescheid ausgeschlossen.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der vom Antragsteller behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor; eine mündliche Verhandlung vor der vollbesetzten Beschwerdekammer war hier ausnahmsweise entbehrlich.
In Wohnungseigentumssachen soll der Richter in der Regel mit den Beteiligten mündlich verhandeln (§ 44 Abs. 1 WEG); im Beschwerdeverfahren hat die mündliche Verhandlung vor der vollbesetzten Kammer des Landgerichts stattzufinden (BayObLG NJW-RR 1988, 1151/1152). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann ausnahmsweise von der mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt dann vor, wenn ein beauftragter Richter der Beschwerdekammer mit den Beteiligten verhandelt hat und diese auf eine mündliche Verhandlung vor der vollbesetzten Kammer verzichten; weitere Voraussetzung ist, daß eine mündliche Verhandlung vor der Kammer auch nicht zur Sachverhaltsaufklärung notwendig ist (BayObLG WE 1990, 181). Danach konnte hier von einer mündlichen Verhandlung vor der vollbesetzten Kammer abgesehen werden. Am Verfahren beteiligt sind nicht nur der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1, sondern auch die übrigen Wohnungseigentümer und der Verwalter (§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG). Bei der Erörterung der Angelegenheit anläßlich des vom beauftragten Richter der Beschwerdekammer durchgeführten Augenscheins waren nur der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1 anwesend oder vertreten; nur sie haben auf eine mündliche Verhandlung vor der Kammer verzichtet. Hier konnte das Landgericht davon ausgehen, daß die übrigen Wohnungseigentümer und der Verwalter damit einverstanden sind, weil sie zwar am Verfahren beteiligt wurden, aber zu keiner Zeit hervorgetreten sind; ein unmitt...