Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungssache

 

Leitsatz (amtlich)

Ist eine der Wohnungen des Mehrfamilienhauses des Betroffenen, das dessen wesentliches Vermögen darstellt, an die Eltern der Ehefrau des Betroffenen vermietet, rechtfertigt dieser Umstand, der Ehefrau entgegen dem Vorschlag des Betroffenen als Betreuerin nicht auch den Aufgabenkreis Vermögenssorge zu übertragen.

 

Normenkette

BGB § 1897 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 29.05.2000; Aktenzeichen 13 T 3732/00)

AG Nürnberg (Urteil vom 06.04.2000; Aktenzeichen XVII 0238/00)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Mit Beschluß vom 6.4.2000 bestellte das Amtsgericht für den Betroffenen dessen Ehefrau zur Betreuerin, übertrug die Aufgabenkreise Vermögens sorge und Vertretung gegenüber Heimen jedoch einem Berufsbetreuer.

Die von der Ehefrau gegen die teilweise Bestellung des Berufsbetreuers eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 29.5.2000 zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Ehefrau mit der weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, bei seiner Anhörung durch den Richter am Amtsgericht habe der Betroffene keinen Vorschlag zur Auswahl des Betreuers gemacht, eine sinnvolle Verständigung mit ihm über das Wesen der Betreuung sei nicht möglich gewesen. Das Amtsgericht habe aufgrund der Stellungnahmen der Betreuungsstelle und der Verfahrenspflegerin für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Heimen zu Recht nicht die Ehefrau, sondern den Berufsbetreuer bestellt. Die Ehefrau sei für diese Aufgabenkreise nicht geeignet. Bezüglich der Verwaltung des Mehrfamilienhauses des Betroffenen bestehe ein Interessenkonflikt insoweit, als eine der Wohnungen an ihre Eltern vermietet sei. Den Heimaufnahmeantrag habe sie unterzeichnet, ohne eine Vollmacht des Betroffenen zu haben. Ferner habe sie diesen dabei als verwitwet ausgegeben und verheimlicht, daß sie seine Ehefrau ist. An der Eignung des Berufsbetreuers bestünden keine Zweifel.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

a) Das Landgericht hat zwar den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Dieser Anspruch, der auch in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten ist (vgl. BVerfG NJW 1994, 1053), verpflichtet das Gericht u. a., nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zu verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten vorher äußern konnten (vgl. BVerfG InfAuslR 1999, 260; BayObLG FamRZ 1997, 901). Dementgegen hat die Kammer ihre Feststellungen auf der Grundlage der Stellungnahmen der Betreuungsstelle und der Verfahrenspflegerin getroffen, ohne daß die Stellungnahmen der Beschwerdeführerin vorher zur Kenntnis gebracht worden waren.

Ferner hat sich das Landgericht mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt, der Betroffene habe – wenn auch nicht schriftlich – mehrfach den Wunsch geäußert, von seiner Ehefrau umfassend betreut zu werden.

b) Auf diesen Mängeln beruht die angefochtene Entscheidung jedoch nicht, da die Beschwerdeführerin weder das betreffende Mietverhältnis noch das ihr angelastete Verhalten bei der Beantragung der Heimaufnahme des Betroffenen in Abrede stellt und diese Umstände es rechtfertigen, ihr nicht auch die Vermögenssorge und die Vertretung des Betroffenen gegenüber Heimen zu übertragen.

c) Der Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zu seinem Betreuer zu bestellen, begründet grundsätzlich einen Vorrang des Vorgeschlagenen vor allen anderen in Betracht kommenden Personen (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB; vgl. BayObLGZ 1996, 136/137 f.; OLG Köln FamRZ 1999, 811; NJWE-FER 1999, 323). Die Rechtswirksamkeit eines solchen Vorschlags hängt weder von der Wahrung einer bestimmten Form, wie etwa der Schriftform, ab (vgl. Bienwald Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1897 BGB Rn. 54), noch setzt sie Geschäftsfähigkeit des Betroffenen oder einen besonderen Grad an Einsichtsfähigkeit voraus. Vielmehr reicht aus, daß der Betroffene im Betreuungsverfahren oder zu einem früheren Zeitpunkt für den Fall seiner Betreuungsbedürftigkeit (§ 1897 Abs. 4 Satz 3 BGB) zur Person des Betreuers einen ernsthaften, von seinem natürlichen Willen getragenen Wunsch geäußert hat (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 53; OLG Hamm FGPrax 1996, 183). Die Bindungswirkung des Vorschlags entfällt nur, wenn die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl des Betroffenen zuwiderliefe (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB; vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 1373/1374). Diese Frage erfordert eine umfassende Abwägung aller Umstände, wobei insbesondere auch das persönliche Verhältnis des Vorgeschlagenen zum Betroffenen von Bedeutung ist (vgl. Bauer in HK-BUR § 1897 BGB Rn. 71; Knittel BtG § 1897 BGB Rn. 17). Um dem im Betreuungsrecht im Vordergrund stehenden Willen des Betroffenen ausreichend Geltung zu verschaffen, setzt ...

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