Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraum. Zweckentfremdung. Rechtsfolgenausspruch. Bußgeld. Geldbuße. Bußgeldbemessung. Bußgeldfestsetzung. Bußgeldhöhe. wirtschaftliche Verhältnisse. Leistungsfähigkeit. Einkommensverhältnissen. Vermögen. Schulden. Unterhaltsverpflichtung. Insolvenz. Geldbußenreduzierung. Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Gesamtschau. Urteilsgründe. Schätzung. Schätzgrundlagen. Medizintouristen. Behandlung. medizinisch. dauerhaft. Aufenthalt. Lebensmittelpunkt. Nutzungskonzept. Fremdenbeherbergung. Ferienwohnen. Dauerwohnen. Untervermietung. Weitervermietung. Irrtum. Verbotsirrtum. vermeidbar. Zweifelssatz. Beweiswürdigung. Doppelverwertungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Verhängung einer relativ hohen Geldbuße (hier: 45.000 bzw. 30.000 Euro) sind Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen, die notfalls im Wege der Schätzung anhand konkreter Schätzgrundlagen zu treffen sind, geboten. Denn von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen hängt es ab, wie empfindlich und nachhaltig ihn die Geldbuße trifft (u.a. Anschluss an KG, Beschl. v. 05.11.1998 - 2 Ss 371/98 bei juris und OLG Bamberg, Beschl. v. 19.03.2018 - 3 Ss OWi 270/18 = GewArch 2018, 250 = StraFo 2018, 309).

2. Auch im Rahmen des § 17 Abs. 4 OWiG sind die wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu berücksichtigen. Haben sich diese zwischenzeitlich verschlechtert, kann es geboten sein, den erlangten Vermögensvorteil ganz oder teilweise zu vernachlässigen, soweit dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls sachlich gerechtfertigt erscheint (Festhaltung an BayObLG, Beschl. v. 18.06.1979 - 3 ObOWi 18/79 = BayObLGSt 1979, 92 und 29.05.1980 - 3 ObOWi 174/79 = BayObLGSt 1980, 40).

 

Normenkette

OWiG § 11 Abs. 2, § 17 Abs. 3 S. 2, Abs. 4, §§ 18, 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, § 80a Abs. 2; StPO § 349 Abs. 2; BauNVO § 11 Abs. 2; ZwEWG Art. 2 S. 2 Nr. 3; ZeS § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; StGB § 46 Abs. 3

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 26.11.2018 jeweils im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

  • II.

    Die weitergehenden Rechtsbeschwerden werden als unbegründet verworfen.

  • III.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen R. am 26.11.2018 wegen Zweckentfremdung von Wohnraum zu einer Geldbuße von 45.000 Euro und den Betroffenen G. wegen Zweckentfremdung von Wohnraum zu einer Geldbuße von 30.000 Euro. Hiergegen richten sich die jeweils mit der Verletzung materiellen Rechts begründeten Rechtsbeschwerden der Betroffenen. Mit Antragsschrift vom 17.05.2019 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft, die Rechtsbeschwerden der Betroffenen als unbegründet zu verwerfen ( § 349 Abs. 2 StPO ). Hierzu haben die Verteidiger jeweils Gegenerklärungen abgegeben.

II.

Die Rechtsbeschwerden sind gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben. Zur Begründung nimmt der Senat insoweit auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 17.05.2019 Bezug. Ergänzend bemerkt der Senat:

a) Die rechtliche Bewertung des Amtsgerichts, dass die durch die Betroffenen vorgenommene fortlaufende Untervermietung der verfahrensgegenständlichen Wohnung an Personen, die sich zum Zwecke einer medizinischen Behandlung vorübergehend in S. aufhielten bzw. an Personen, die sich zum Zwecke der Versorgung bzw. Betreuung ihrer in medizinischer Behandlung befindlichen Angehörigen vorübergehend in S. aufhielten, eine Überlassung zu anderen als Wohnzwecken und damit eine Zweckentfremdung im Sinne von Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG in der Fassung vom 22.03.2013 sowie § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS in der Fassung vom 12.12.2013 darstellt, ist nicht zu beanstanden (BayVGH, Beschl. v. 07.12.2015 - 12 ZB 15.2287 bei juris; dem folgend OLG Bamberg, Beschl. v. 24.04.2018 - 2 Ss OWi 3/18 [unveröffentlicht]). Der Senat weicht bei dieser Beurteilung auch nicht von der von Seiten der Verteidigung angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ( BVerwG, Beschl. v. 08.05.1989 - 4 B 78/89 = NVwZ 1989, 1060 = BauR 1989, 440 = ZfBR 1989, 225 = DÖV 1989, 861) ab. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betrifft die Frage, wann ein Gebiet für die Fremdenbeherbergung im Sinne der BauNVO anzunehmen ist, wobei in § 11 Abs. 2 BauNVO Fremdenbeherbergung, Ferienwohnen und Dauerwohnen unterschieden wird. Die Entscheidung befasst sich aber nicht mit der Frage, ob Wohnraum überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt wird und deshalb eine Zweckentfremdung von Wohnraum im Sinne des ZwEWG bzw. der ZeS vorliegt. Entgegen der Auffassun...

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