Leitsatz (amtlich)
1. Zur Entziehung der gesamten Personensorge.
2. Vormundschaft kann nur dann angeordnet werden, wenn dem Inhaber der elterlichen Sorge die Personensorge und die Vermögenssorge entzogen wird; auch im Fall der Entziehung der gesamten Personensorge ist kein Vormund, sondern ein Ergänzungspfleger zu bestellen.
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 1, 3, § 1666a Abs. 2, § 1667 Abs. 5, §§ 1626, 1773, 1909
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Beschluss vom 06.11.1996; Aktenzeichen 1 T 1676/95) |
AG Neuburg a.d. Donau (Beschluss vom 25.09.1995; Aktenzeichen VII 118/95) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 6. November 1996 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß
die Nr. 3 des Beschlusses des Amtsgerichts Neuburg a.d. Donau vom 25. September 1995 abgeändert und in den Sätzen 2 und 3 wie folgt gefaßt wird:
„Die Personensorge für beide Kinder wird einem Pfleger übertragen”,
- die Nr. II der Beschwerdeentscheidung entfällt.
II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 7.000 DM festgesetzt.
III. Der Beteiligten zu 1 wird Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht bewilligt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter der beiden nichtehelich geborenen Mädchen A und B im Alter von sieben und vier Jahren. Sie lebte mit den Kindern und deren Vater bis Juli 1995 zusammen. Die elterliche Sorge für die im Jahr 1983 geborene und aus einer früheren Ehe der Beteiligten zu 1 stammende Tochter C wurde ihr im Jahr 1995 entzogen. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für eine weitere im Jahr 1995 nichtehelich geborene Tochter D wurde ihr im Jahr 1996 entzogen.
Nachdem das Vormundschaftsgericht der Mutter am 12.6.1995 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder A und B vorläufig entzogen und dem Kreisjugendamt (Beteiligter zu 2) als Pfleger übertragen hatte und die Kinder wegen verschiedener Erkrankungen in eine Klinik verbracht worden waren, hörte das Vormundschaftsgericht die Mutter und die Kinder persönlich an. Mit Beschluß vom 25.9.1995 wurde der Mutter die „elterliche Sorge” für beide Kinder entzogen; außerdem wurde Vormundschaft angeordnet und zum Vormund der Beteiligte zu 2 „ausgewählt und bestimmt” (Nr. 3). Der „Gegenstandswert” wurde auf 7.000 DM festgesetzt (Nr. 5). Die Kinder wurden in einem Jugendhilfe- und Kinderzentrum untergebracht, wo sie sich bis heute befinden.
Auf die Beschwerde der Mutter hörte das Landgericht diese sowie die beiden Kinder persönlich an und erhob weitere Beweise. Mit Beschluß vom 6.11.1996 wies es die Beschwerde zurück (Nr. I). Von der Erhebung von Gerichtsgebühren wurde abgesehen (Nr. II). Der „Beschwerdewert” wurde auf 7.000 DM festgesetzt (Nr. III). Zur Begründung führte das Landgericht im wesentlichen aus, daß das körperliche, geistige und seelische Wohl der Kinder durch deren Vernachlässigung beziehungsweise durch unverschuldetes Versagen der Mutter gefährdet sei. Bei beiden Kindern seien eine Reihe von nicht behandelten Erkrankungen festgestellt worden, weil sie zu Hause erheblich vernachlässigt worden seien. Sie zeigten auch erhebliche Entwicklungsrückstände. Ursache der Gefährdung seien die häuslichen Verhältnisse und Alkoholprobleme der Mutter. Eine Rückführung der Kinder in den Haushalt der Mutter komme nicht in Betracht. Bei dieser Sachlage sei eine Entziehung der gesamten elterlichen Sorge notwendig. Weniger einschneidende Maßnahmen seien nicht ausreichend. Es sei mit dem Kindeswohl nicht vereinbar, der Mutter Teilbereiche der elterlichen Sorge zu belassen. Im Hinblick auf deren mangelnde Kooperationsbereitschaft und ihre Unzuverlässigkeit könnten ansonsten im Interesse der Kinder notwendige Entscheidungen nur mit erheblicher Verzögerung getroffen werden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Mutter mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben. Außerdem beantragt sie Prozeßkostenhilfe. Der Beteiligte zu 2 tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist im wesentlichen unbegründet.
1. Die nach den gebotenen Ermittlungen (§ 12 FGG), insbesondere nach Durchführung der erforderlichen Anhörungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f, § 50a Abs. 1. § 50b Abs. 1 FGG), ohne Verfahrensfehler getroffene und eingehend begründete Beschwerdeentscheidung ist insoweit aus Rechtsgründen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht zu beanstanden, als das Landgericht die Entziehung der gesamten Personensorge gebilligt hat.
a) Eine Entziehung der elterlichen Sorge insgesamt sieht das Gesetz nicht vor; sie kann aber durch Entziehung sämtlicher Teilrechte, nämlich der Personensorge und der Vermögens sorge (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB), erreicht werden (BayObLGZ 1990, 63/69; Soergel/Strätz BGB 12. Aufl. §§ 1666, 1666a Rn. 45). Aus dem Zusammenhang der Gründe des vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses vom 25.9.1995 – insbesondere aus dem Umstand, daß in der Entscheidung zwar die §§ 1666, 1666a BGB, nicht aber § 1667 Abs. 5 BGB zitiert sind – erg...