Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen, Gerichtsstand, Verletzung, Bindungswirkung, Software, Widerspruch, Verweisung, Verweisungsbeschluss, Gerichtsstandsvereinbarung, Verfahren, Streitwert, Leistung, Wohnsitz, Mitgliedschaft, Verweisung des Rechtsstreits, keine Bindungswirkung, Gelegenheit zur Stellungnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Bindungswirkung i. S. d. § 35 ZPO bei objektiver Klagehäufung mit fehlerbehafteter Wahl für einzelne Ansprüche

 

Tenor

Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg ist nicht bindend.

Die Sache wird an das Amtsgericht Nürnberg zurückgegeben.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist ein Softwareunternehmen und IT-Dienstleister für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in der Rechtsform einer Genossenschaft. Der Beklagte ist Rechtsanwalt.

Mit Mahnbescheid vom 8. Mai 2020 hat die Klägerin gegen den Beklagten beim Amtsgericht Coburg - Zentrales Mahngericht - die Bezahlung eines Betrags in Höhe von 94,01 EUR nebst Verzugszinsen aus "Dienstleistungsvertrag gem. Rechnung (...) vom 31. Januar 2019" sowie "Mahnkosten" in Höhe von 40,00 EUR geltend gemacht. Nachdem der Beklagte Widerspruch eingelegt hat, ist das Verfahren - wie im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids angegeben - an das Amtsgericht Nürnberg abgegeben worden.

Mit Anspruchsbegründung vom 20. August 2020 hat die Klägerin die Zahlungsklage um einen Betrag in Höhe von 765,00 EUR erweitert.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie verlange von dem Beklagten den Ausgleich der Forderungen für die von ihr erbrachten Leistungen im Januar 2019 gemäß Abrechnung vom 31. Januar 2019 in Höhe von 94,01 EUR (Anlage K 2); auf diese habe der Beklagte keine Zahlungen geleistet. In der Rechnung - die an den Beklagten als Rechtsanwalt gerichtet worden ist - sei zum einen die Grundgebühr enthalten, die der Beklagte dafür schulde, dass er bei ihr Mandantendaten gespeichert habe. Darüber hinaus sei ihre datenverarbeitende Leistung in Anspruch genommen worden, wofür die vertraglich vereinbarte Gegenleistung in Rechnung gestellt worden sei. Schließlich habe der Beklagte mit ihr Softwarelizenzverträge geschlossen; danach habe sie die bestellte Software für die Datenverarbeitung im Büro des Beklagten zur Verfügung gestellt, während sich dieser verpflichtet habe, hierfür monatliche Gebühren gemäß Preisliste zu bezahlen.

Die Geltendmachung der Pauschale beruhe auf § 288 Abs. 5 BGB.

Außerdem sei der Beklagte mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 erfolglos darauf hingewiesen worden, dass er Geschäftsanteile in Höhe von 765,00 EUR zu bezahlen habe. Der Beklagte sei seit Dezember 2018 Mitglied der Genossenschaft. Gemäß §§ 7, 7a GenG i. V. m. § 14 ihrer Satzung sei jedes Mitglied verpflichtet, drei Anteile zu übernehmen. Ein Anteil betrage 255,00 EUR.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Nürnberg ergebe sich aus § 22 ZPO, denn danach sei das Gericht, bei dem die Genossenschaft ihren allgemeinen Gerichtsstand habe, für diejenige Klage zuständig, die von der Genossenschaft gegen ihre Mitglieder erhoben werde. Zudem seien auf die vertraglichen Beziehungen ihre Geschäftsbedingungen anzuwenden; diese lauten in Ziffer 25.1 (Anlage K 1):

"Ausschließlicher Gerichtsstand ist Nürnberg. Für Nichtkaufleute gilt diese Vereinbarung nur in Ermangelung eines inländischen Gerichtsstandes."

Nach Zustellung der Anspruchsbegründung hat der Beklagte mit Schreiben vom 30. September 2020 gerügt, das Amtsgericht Nürnberg sei nicht zuständig. Er sei kein Kaufmann. Die Gerichtsstandsvereinbarung sei daher "nichtig".

Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2020 unter Hinweis darauf, dass davon ausgegangen werde, dass der Beklagte als Rechtsanwalt kein Kaufmann sei, die Verweisung des Rechtsstreits an das für den Wohnsitz des Beklagten zuständige Amtsgericht Mitte beantragt. Zu diesem Schriftsatz ist dem Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, von der er keinen Gebrauch gemacht hat.

Mit Beschluss vom 11. November 2020 hat das Amtsgericht Nürnberg den Streitwert auf 94,01 EUR festgesetzt (Tenor Ziffer 1), sich für örtlich unzuständig erklärt (Tenor Ziffer 2) und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Mitte verwiesen (Tenor Ziffer 3). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Entscheidung beruhe auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht sei örtlich unzuständig. Auf Antrag der Klägerin habe es sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen.

Nach Eingang der Akten beim Amtsgericht Mitte hat dieses am 26. November 2020 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und sich für örtlich unzuständig erklärt. Die Akten seien dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO vorzulegen. Die Klägerin mache gegen den Beklagten, dessen Wohnsitz sich im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Mitte befinde, als Mitglied der Genossenschaft Mitgliedsbeiträge geltend. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Mitte sei nicht gegeben. Die Klägerin habe die ihr nach § 35 ZPO zustehende Wahl des...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?