Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtsstand, Widerspruch, Gesellschaft, Haftung, Verfahren, Verweisung, Zustellung, Anzahlung, Mahnbescheid, Mangel, Aktiengesellschaft, Schriftsatz, Voraussetzungen, Rechtsstreit, Vorbringen der Parteien, Gerichtsstand der Niederlassung, ergangene Rechtsprechung
Leitsatz (amtlich)
Zur Ausübung des Wahlrechts nach § 35 ZPO beim Parteiwechsel auf Beklagtenseite
Tenor
Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Gelsenkirchen.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits, der mittlerweile vom Kläger für erledigt erklärt worden ist, ist die Rückerstattung des Reisepreises wegen einer ausgefallenen Pauschalreise.
Jetzige Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Hauptsitz in Genf. Zunächst hat der Kläger einen Mahnbescheid gegen deren Zustellungsbevollmächtigte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in München, erwirkt. Als Prozessgericht, an das das Verfahren im Fall eines Widerspruchs abgegeben werden soll, hat er das Gericht am allgemeinen Gerichtsstand der Zustellungsbevollmächtigten angegeben. Nach Widerspruch und Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht München hat der Kläger zum Sachverhalt vorgetragen, er habe im Januar 2020 über ein Reisebüro in Marl bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Kreuzfahrt gebucht und die vereinbarte Anzahlung überwiesen. Obwohl er über sein Reisebüro die Reise im Juli 2020 kostenfrei storniert habe, sei keine Rückzahlung erfolgt. Nach Ziffer 17.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anmerkung des Senats: es handelt sich um die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der jetzigen Beklagten), die Vertragsgegenstand geworden seien, sei München als Sitz der Zustellungsbevollmächtigten als Gerichtsstand vereinbart.
Mit Verfügung vom 5. Oktober 2020 hat das Amtsgericht München die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens angeordnet und gemäß § 139 ZPO darauf hingewiesen, dass die Klage unschlüssig sei, da sie sich nicht gegen den Vertragspartner richte. Bei der Beklagten handle es sich gerichtsbekannt um eine zustellungsbevollmächtigte GmbH, nicht jedoch um den Reiseveranstalter. Dies ergebe sich aus den vom Kläger vorgelegten Anlagen. Soweit eine Klageänderung beabsichtigt sei, gehe das Gericht davon aus, dass nach Art. 15, 16 LugÜ in Deutschland allein das Amtsgericht Gelsenkirchen am Sitz der Klagepartei international und örtlich zuständig sei. Nach Aktenlage sei die Klagepartei als Verbraucher, die Beklagtenseite als Unternehmerin einzustufen. Eine Bereichsausnahme nach Art. 15 Abs. 3 LugÜ liege nicht vor, da sowohl die Unterbringung als auch die Beförderung auf dem Schiff erfolgen sollte. Auch die Art. 4 und 5 Nr. 5 i. V. m. Art. 15 Abs. 1 LugÜ seien nicht einschlägig.
Die Prozessbevollmächtigten der verklagten Zustellungsbevollmächtigten haben auf die fehlende Passivlegitimation hingewiesen und in einem weiteren Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 ausgeführt, sie bestellten sich für den Fall der Klageänderung zu Prozessbevollmächtigten der "neuen" Beklagten, die sich vor dem Amtsgericht München rügelos einlasse, auf eine Zustellung der Schriftsätze verzichte und das Verfahren in seinem aktuellen Zustand übernehme und fortsetze. Rein vorsorglich werde das Einverständnis mit einer Verweisung an das Amtsgericht Gelsenkirchen erklärt.
Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2020 (Bl. 39 d. A.), der der Beklagten am 29. Oktober 2020 zugestellt worden ist (Bl. 50 d. A.), hat der Kläger die Klage nicht mehr gegen die zustellungsbevollmächtige GmbH, sondern gegen den Reiseveranstalter gerichtet und beantragt, den Rechtsstreit an das Amtsgericht Gelsenkirchen zu verweisen. Die Klageänderung sei sachdienlich und die "alte Beklagte" habe ihr bereits zugestimmt. Die "neue Beklagte" habe bereits auf erneute Zustellung sämtlicher Schriftsätze verzichtet, so dass das Verfahren an das Amtsgericht Gelsenkirchen abzugeben sei.
Mit Beschlüssen vom 27. Oktober 2020 hat das Amtsgericht München zum einen ausgesprochen, dass der Kläger die der vormaligen Beklagten bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Rechtsstreit entstandenen Kosten zu tragen hat, und zum anderen sich in dem Rechtsstreit gegen die neue Beklagte für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Gelsenkirchen verwiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt örtlich zuständig, auf die Verfügung vom 5. Oktober 2020 werde Bezug genommen. Dieser Beschluss ist gemäß richterlicher Verfügung vom gleichen Tag, die am Folgetag ausgeführt worden ist, den Parteien formlos mitgeteilt worden.
Das Amtsgericht Gelsenkirchen hat mit Beschluss vom 16. November 2020 darauf hingewiesen, es halte sich örtlich nicht für zuständig, da der Kläger einerseits im Mahnbescheidsantrag das Amtsgericht München angegeben und damit gemäß § 35 ZPO sein Wahlrecht bindend ausgeübt habe und sich anderseits die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 ausdrücklich rügelos zur Sache eingelassen habe. Unter Ber...