Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinserteilung. Geschäftswertbeschwerde. Kostenrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zu denen Nachlaßsachen gehören, ist der Wert des Beschwerdegegenstands regelmäßig nach freiem Ermessen zu bestimmen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung vorhanden sind. Maßgebend ist, wenn wie hier besondere Umstände nicht vorliegen, die Bedeutung des Rechtsmittels für den Rechtsmittelführer, insbesondere das damit verfolgte wirtschaftliche Interesse. Die in der Kostenordnung enthaltenen besonderen Vorschriften für die Festsetzung des Geschäftswerts im ersten Rechtszug können als Anhaltspunkte herangezogen werden. Als solcher dient insbesondere der Wert des Reinnachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls.

2. Vermächtnisse, Auflagen und Pflichtteilsansprüche sind als Nachlaßverbindlichkeiten in Abzug zu bringen. Abzuziehen sind auch Pflichtteilsansprüche derjenigen, die ihr Erbrecht bezeugt haben wollen. Denn das wirtschaftliche Interesse am Erfolg der Beschwerde entspricht lediglich der Differenz zwischen dem Wert des beanspruchten Erbteils und dem Pflichtteilsanspruch.

 

Normenkette

KostO § 107 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 26.10.1992; Aktenzeichen 16 T 19592/89)

AG München (Aktenzeichen 66 VI 8790/87)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 werden Nrn. I und II des Beschlusses des Landgerichts München I vom 26. Oktober 1992 aufgehoben; ihre Beschwerde gegen Nr. IV des Beschlusses des Landgerichts München I vom 13. August 1991 wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag der Beteiligten zu 3 auf Änderung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der 1987 im Alter von 39 Jahren in M. verstorbene Erblasser war ledig und hinterließ keine Abkömmlinge. Zu seinem Nachlaß gehörten unter anderem zwei Eigentumswohnungen, ein mit einem lebenslangen Nießbrauch zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2, seiner Eltern, belastetes Mehrfamilienhaus sowie verschiedene Werke zeitgenössischer Künstler.

Mit der Beteiligten zu 3 war der Erblasser eng befreundet. Sie machte ein Erbrecht aufgrund einer letztwilligen Verfügung geltend, die die Eltern am 17.8.1987 vernichtet haben, und beantragte einen Erbschein als Alleinerbin. Die Eltern beantragten hingegen einen Erbschein, der sie als gesetzliche Erben zu je 1/2 ausweisen sollte.

Das Nachlaßgericht wies den Erbscheinsantrag der Eltern zurück und stellte die Erteilung eines Erbscheins für die Beteiligte zu 3 gemäß ihrem Antrag in Aussicht. Auf Beschwerde der Eltern hob das Landgericht mit Beschluß vom 13.8.1991 diese Entscheidung auf und wies das Nachlaßgericht an, den Eltern einen Erbschein gemäß ihrem Antrag zu erteilen. Mit Beschluß vom 10.2.1992 wies der Senat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3 zurück.

Das Landgericht hatte den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 350.000 DM festgesetzt, der Senat den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 200.000 DM. Mit Schreiben vom 2.6.1992 an das Amtsgericht München hat die Beteiligte zu 3 im Hinblick auf die Geschäftswertfestsetzung des Senats für das Verfahren der weiteren Beschwerde eine Überprüfung unter anderem des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren angeregt und gebeten, das Schreiben gegebenenfalls als „Streitwertbeschwerde” anzusehen. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 haben demgegenüber am 22.7.1992 beim Landgericht München I und beim Bayerischen Obersten Landesgericht die Heraufsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren und für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf jeweils 400.000 DM beantragt. Der Senat hat den Gegenvorstellungen gegen die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde mit Beschluß vom 25.9.1992 keine Folge gegeben. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 26.10.1992 auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 in Abänderung seines Beschlusses vom 13.8.1991 den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 200.000 DM festgesetzt. Der Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2, die diese mit Schreiben vom 8.12.1992 ausdrücklich aufrechterhalten haben, hat es nicht abgeholfen und mit Beschluß vom 21.12.1992 die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Senat hat Angaben über den Bodenrichtwert, den Brandversicherungswert und den Ertrag eines zum Nachlaß gehörenden bebauten Grundstücks erholt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 sind zulässig und, soweit sie sich gegen die Festsetzung eines geänderten Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren durch den Beschluß des Landgerichts vom 26.10.1992 wenden, begründet.

1. Die Schreiben vom 22.7.1992 und 8.12.1992 sind als Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 2 gegen die Geschäftswertfestsetzungen in den Beschlüssen des Landgerichts vom 13.8.1991 und 26.10.1992 ...

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