Entscheidungsstichwort (Thema)

Testierfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Erblasser ist grundsätzlich solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist.

 

Normenkette

BGB § 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 25.06.1992; Aktenzeichen 13 T 1521/92)

AG Nürnberg (Aktenzeichen VI 1168/90)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. Juni 1992 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 3 hat die den Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 45.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der 1990 im Alter von 70 Jahren verstorbene Erblasser war zweimal verheiratet gewesen. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind seine Kinder aus der ersten, im Jahr 1960 geschiedenen Ehe. Seine zweite Ehefrau ist am 9.3.1986 vorverstorben; aus ihrer ersten Ehe ist die Beteiligte zu 3 hervorgegangen.

Der Erblasser wurde erstmals am 21.6.1986 wegen chronischem Alkoholismus in einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie aufgenommen und behandelt. Von da an bis zu seinem Tod war er wiederholt wegen Alkoholmißbrauchs in geschlossenen Anstalten untergebracht. Seit 15.7.1986 bestand für ihn eine Gebrechlichkeitspflegschaft.

Der Erblasser hat mehrere letztwillige Verfügungen hinterlassen. Mit notariellem Ehe- und Erbvertrag vom 8.3.1973 haben der Erblasser und seine zweite Ehefrau sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und angeordnet, daß nach dem Tod des Letztversterbenden die Tochter des Ehemanns aus der ersten Ehe (Beteiligte zu 1) sowie die Tochter der Ehefrau aus der ersten Ehe (Beteiligte zu 3) je zur Hälfte Erben werden sollten. Ferner haben die Vertragsteile bestimmt, daß der überlebende Ehegatte jederzeit berechtigt sein solle, die für den zweiten Todesfall getroffenen Bestimmungen einseitig abzuändern oder aufzuheben.

Ein vom Erblasser eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament ist auf den 7.6.1986 datiert und hat folgenden Wortlaut:

„Mein letzer Wille!

Ich … verfüge im Falle meines Todes folgendes:

1/8 meines Vermögens bekommt mein Sohn … (Beteiligter zu 2)

1/4 „meine Stieftochter … (Beteiligte zu 3)

1/4 aber nur, wenn sie den Pflichtteilsanspruch ihrer Mutter noch nicht in Anspruch genommen hat.

Den Rest meines Vermögen bekommt mit der Auflage meine Wohnung aufzulösen und meinen Nachlaß zu regeln meine Tochter … (Beteiligte zu 1).

Hiermit lösche ich die Ehe und Erbschaftvertrag von 1973 auf.”

In der mit blauem Kugelschreiber niedergeschriebenen Urkunde hatte der Erblasser bei den die Beteiligte zu 3 betreffenden Verfügungen ursprünglich jeweils die Zahl „8” eingesetzt. Er hat mit rotem Stift diese Zahlen in „4” geändert und seinen Namenszug hinzugesetzt. Nach der Unterschrift des Erblassers folgt ein von der Beteiligten zu 1 geschriebener und unterzeichneter Zusatz. Er lautet:

„Dieses Testament würde in meinem Beisein geschrieben. Ich bestätige, daß mein Vater im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte war.”

Der Text eines weiteren handschriftlichen Testaments vom 20.12.1986 ist mehrfach kreuz und quer durchgestrichen.

Darunter folgt der vom Erblasser unterzeichnete Zusatz:

„ungültig 2.7.87”.

Beim Nachlaßgericht hat die Beteiligte zu 1, zugleich in Vertretung ihres Bruders, einen Erbschein des Inhalts beantragt, daß der Erblasser aufgrund des Testaments vom 7.6.1986 von ihr zu 7/8 und vom Beteiligten zu 2 zu 1/8 beerbt worden sei. Dazu hat sie vorgetragen, die Beteiligte zu 3 habe den Pflichtteilsanspruch am Nachlaß ihrer Mutter geltend gemacht und sei daher als Erbin ihres Stiefvaters ausgeschieden. Die Beteiligte zu 3 hat erklärt, sie widersetze sich der Ausstellung eines Erbscheins, in dem sie nicht als Miterbin zu 1/2 ausgewiesen werde. Das Testament vom 7.6.1986 sei vom Erblasser im Zustand alkoholbedingter Geschäftsunfähigkeit verfaßt worden und daher unwirksam. Im übrigen sei sie durch dieses Testament nicht von der Erbfolge ausgeschlossen, vielmehr solle sie ein Viertel uneingeschränkt und ein weiteres Viertel mit der Einschränkung erhalten, daß sie den Pflichtteil am Nachlaß ihrer Mutter nicht in Anspruch genommen habe. Auf diesen Pflichtteil habe sie lediglich eine Abschlagszahlung erhalten und im übrigen verzichtet.

Das Nachlaßgericht hat die Nachlaßakten der vorverstorbenen zweiten Ehefrau sowie die den Erblasser betreffenden Unterbringungs- und Pflegschaftsakten beigezogen. Zur Testierfähigkeit des Erblassers hat es ein Gutachten des B., leitender Oberarzt einer psychiatrischen Klinik mit Poliklinik eingeholt sowie Äußerungen zweier Hausärzte des Erblassers. Die Beteiligte zu 1 ist mündlich angehört worden. Durch Beschluß vom 18.12.1991 hat das Nachlaßgericht die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins angekündigt. Die Beteiligte zu 3 hat Beschwerde eingelegt, die vom Landgericht am 25.6.1992 zurückgewiesen worden ist. Hiergegen r...

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