Entscheidungsstichwort (Thema)

vormundschaftsgerichtliche Genehmigung. Betreuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vormundschaftliche Genehmigung ist nicht zu erteilen, wenn das zugrundeliegende Rechtsgeschäft offensichtlich ungültig ist, insbesondere, wenn der Betreuer bei der Abgabe der Willenserklärung für den Betroffenen von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

BGB § 1821 Abs. 1 S. 1, § 1829 Abs. 1 S. 1, § 1908i

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Beschluss vom 21.05.1999; Aktenzeichen 60 T 3478/98)

AG Erding (Beschluss vom 01.12.1998; Aktenzeichen XVII 18/94)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Betroffenen werden die Beschlüsse des Landgerichts Landshut vom 21. Mai 1999 und des Amtsgerichts – Vormundschaftsgericht – Erding vom 1. Dezember 1998 aufgehoben.

II. Der vom Betreuer als gesetzlichen Vertreter des Betroffenen abgeschlossene Auflassungsvertrag wird vormundschaftsgerichtlich genehmigt.

 

Tatbestand

I.

Der Betroffene ist seit seiner Geburt geistig behindert und pflegebedürftig. Er lebt bei seinem Vater und seinem Bruder. Zusammen mit diesen und einer Schwester ist er – zu 1/6 – gesetzlicher Erbe seiner am 13.2.1986 verstorbenen Mutter.

Mit Beschluß vom 10.10.1994 bestellte das Vormundschaftsgericht den Vater des Betroffenen als Betreuer unter anderem mit dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge einschließlich sämtlicher Wohnungsangelegenheiten ohne Erbauseinandersetzung”. Die Bestellung eines weiteren Betreuers mit dem Aufgabenkreis Vertretung im Nachlaßverfahren einschließlich der Auseinandersetzungsverträge wurde am 26.10.1998 aufgehoben.

Am 24.11.1998 schlossen die Mitglieder der Erbengemeinschaft einen Auflassungsvertrag, der der Erfüllung der Übergabeverpflichtung diente, die die Eltern des Betroffenen bereits am 18.10.1974/19.4.1979 dem Bruder des Betroffenen gegenüber eingegangen waren. Mit Vollzug dieser Urkunde sollen der Bruder und die Schwägerin des Betroffenen in Gütergemeinschaft Eigentümer des gesamten landwirtschaftlichen Anwesens werden. Für den Betroffenen ist unter anderem ein Wohnrecht vereinbart.

Das Vormundschaftsgericht versagte am 1.12.1998 die Genehmigung des Vertrags. Die Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht am 21.5.1999 zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Betroffenen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Zwar unterscheide sich der notarielle Vertrag vom 24.11.1998 von einem früheren, dessen Genehmigung ebenfalls verweigert worden sei. Dennoch seien die Interessen des Betroffenen nicht ausreichend gewahrt. Das landwirtschaftliche Anwesen, dessen Miteigentümerin die Mutter zur Hälfte gewesen sei, habe einen beträchtlichen Wert, wobei mangels Gutachtens von annähernd 1 Mio. DM auszugehen sei. Daran habe sich der Wert dessen zu orientieren, was dem Betroffenen in der Erbauseinandersetzung zufließen sollte. Seinem Anspruch sei keinesfalls dadurch Genüge getan, daß er DM 5.000,– als Elterngut und ein Wohnrecht auf Lebenszeit erhalte. Dieses Wohnrecht sei wegen der Pflegebedürftigkeit nur dann von Nutzen, wenn dem Betroffenen auch Wart und Pflege gewährt werde. Eine derartige Verpflichtung sei aber nicht enthalten. Das Wohnrecht erlösche, wenn der Betroffene aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit in einem Heim untergebracht werde. Vorteile ideeller Art für den Betroffenen seien nicht zu sehen. Für die Familie bestehe vielmehr der Anreiz, den Betroffenen, insbesondere nach dem Tode des Vaters, in einem Heim unterzubringen.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung gemäß § 27 FGG, § 550 ZPO nicht stand.

Maßgebend für die hier gemäß § 1908i, § 1821 Abs. 1 Nr. 1, § 1829 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche vormundschaftliche Genehmigung ist das Interesse des Betroffenen (vgl. BayObLG FamRZ 1989, 540/541; 1990, 208). Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren dahin zu überprüfen ist, ob das Beschwerdegericht von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht oder wesentliche Umstände unerörtert gelassen hat. Letzteres ist hier der Fall. Die Kammer berücksichtigt nicht, daß auf den Betroffenen mit dem Erbfall auch die Verpflichtungen übergegangen sind, die die Mutter als Erblasserin eingegangen war, aber noch nicht erfüllt hatte. Vielmehr legt das Landgericht einen Prüfungsmaßstab an, als stehe die Erfüllung der Verbindlichkeit im Belieben des Betroffenen und sei deshalb frei verhandelbar.

3. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar, § 27 Abs. 1 FGG, § 563 ZPO.

Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ist zwar dann nicht zu erteilen, wenn das zugrundeliegende Rechtsgeschäft offensichtlich ungültig ist, insbesondere wenn der Betreuer bei der Abgabe der Willenserklärung für den Betroffenen von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen ist (vgl. BayObLG FamRZ 1983, 92/94; KG JW 1936, 1439/1440; MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1828 Rn. 21; Palandt/Diederichsen BGB...

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