Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage eines Miterben als Nachlassgläubiger gegen einen anderen Miterben
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Miterbe selbst Nachlassgläubiger, kann er auch nach Teilung des Nachlasses jeden seiner Miterben als Gesamtschuldner auf den vollen Betrag seiner Forderung abzgl. des auf seinen eigenen Bruchteil fallenden Betrages in Anspruch nehmen. Solange dabei nicht die Voraussetzungen der §§ 2060, 2061 BGB gegeben sind, besteht hierfür als besonderer Gerichtsstand der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft.
2. Zuständigkeitsbestimmung trotz Vorliegens eines besonderen gemeinschaftlichen Gerichtsstands, wenn das nach Ansicht des Senats zuständige Gericht erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit äußert.
Verfahrensgang
AG Memmingen (Aktenzeichen 12 C 1266/03) |
Tenor
Als für die Klage gemeinschaftlich zuständiges Gericht wird das AG Memmingen bestimmt.
Gründe
I. Die Parteien sowie K. sind die Kinder des E., der im Jahr 2000 im Amtsgerichtsbezirk Memmingen ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben ist. Der Wert des inzwischen geteilten Nachlasses hat 3.792 DM betragen. K. hat diesen Betrag sowie aus eigenen Mitteln weitere 8.915,72 DM (4.558,54 Euro) für die Beerdigung von E. aufgewandt. K. hat den Kläger auf Ersatz dieses Betrages in Anspruch genommen und vor dem AG Memmingen einen Titel über 3.907,32 Euro nebst Zinsen erwirkt. Der Kläger nimmt nunmehr die Beklagten als Miterben auf Bezahlung der gegen ihn titulierten Forderung abzgl. des auf ihn als Miterben entfallenden Bruchteils in Anspruch. Er hat beim AG Memmingen Klage mit dem Antrag erhoben, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 3.256,10 Euro nebst Zinsen zu bezahlen. Die Beklagten zu 1) bis 3) haben ihren Wohnsitz im Amtsgerichtsbezirk Emden (Niedersachsen), die Beklagte zu 4) im Amtsgerichtsbezirk Frankfurt/Main (Hessen) und die Beklagte zu 5) im Amtsgerichtsbezirk Bersenbrück (Niedersachsen).
Die Beklagten zu 2), 3) und 4) rügen die örtliche Unzuständigkeit des AG Memmingen. Die Beklagten zu 1), 3) und 4) nehmen in Anspruch, rechtzeitig die Erbschaft ausgeschlagen zu haben. Der Beklagte zu 2) macht Haftungsbeschränkung geltend. Das AG Memmingen hat erhebliche Bedenken im Hinblick auf seine Zuständigkeit geäußert. Der Kläger hat deshalb beantragt, für die Beklagten ein gemeinsam örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Das AG Memmingen hat diesen Antrag dem BayObLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. 1. Das BayObLG ist zur Entscheidung über das Gesuch berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Zuerst mit der Sache befasst war das in Bayern gelegene AG Memmingen. Die Zuständigkeitsbestimmung ist auch nach Rechtshängigkeit noch möglich (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 36 Rz. 16; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 15). Ihr steht nicht entgegen, dass die Beklagten nicht ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich des BayObLG haben (OLG Karlsruhe v. 8.7.1999 – 19 AR 10/99, OLGReport Karlsruhe 1999, 380; BayObLG v. 5.2.2002 – 1Z AR 9/02).
2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Für den Rechtsstreit ist zwar ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand nach §§ 28, 27 ZPO bei dem AG Memmingen begründet, was im Regelfall eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausschließt. Da aber das AG Memmingen erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit nach § 28 ZPO i.V.m. § 27 ZPO geäußert hat, nimmt der Senat aus prozessökonomischen Gründen trotzdem eine Bestimmung vor, wobei er dasjenige Gericht bestimmt, das nach seiner Auffassung ohnehin zuständig ist (KG Berlin v. 7.3.2003 – 28 AR 67/02, KG Report Berlin 2003, 230 [232]).
Das AG Memmingen ist nach § 28 ZPO i.V.m. § 27 ZPO zuständig, da nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag (BayObLG v. 10.9.1985 – Allg. Reg. 38/85, BayObLGZ 1985, 314 [316]) des Klägers dieser als Miterbe und gleichzeitig Nachlassgläubiger die Beklagten nach Teilung des Nachlasses als Gesamtschuldner auf Bezahlung der gegen ihn titulierten Beerdigungskosten abzgl. des auf seinen eigenen Bruchteil fallenden Betrages in Anspruch nimmt (Palandt/Edenhofer, BGB, 62. Aufl., § 2058 Rz. 3). Da die verklagten Miterben für die str. Nachlassverbindlichkeit gem. § 2058, § 421, § 426 BGB haften, kann der Kläger die Forderung vor dem AG Memmingen geltend machen, bei dem der Erblasser zur Zeit seines Todes den allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat. Die Gesamthaftung der Beklagten nach Teilung des Nachlasses und damit der besondere Gerichtsstand des § 28 ZPO i.V.m. § 27 ZPO ist nicht weggefallen, weil die Voraussetzungen der §§ 2060, 2061 BGB nicht gegeben sind (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 29 Rz. 4).
Fundstellen
Haufe-Index 1112346 |
FamRZ 2004, 908 |
NJW-RR 2004, 944 |
ZEV 2004, 428 |
OLGR-MBN 2004, 85 |