Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung aus prozessökonomischen Gründen
Leitsatz (amtlich)
1. Nachlasserbenschulden unterfallen dem erweiterten Gerichtsstand der Erbschaft nach § 28 ZPO. Das gilt auch dann, wenn ein Miterbe Nachlassgläubiger ist.
2. Eine Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO scheidet in der Regel aus, wenn ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand gegeben ist. Aus prozessökonomischen Gründen kann es gleichwohl geboten sein, das diesem Gerichtsstand zuzuordnende Gericht als zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn es seine Zuständigkeit verneint.
Normenkette
ZPO §§ 28, 36 Abs. 1 Nr. 3, § 37
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 7 O 3/07) |
AG Norderstedt (Aktenzeichen 42 C 260/06) |
Tenor
Zum zuständigen Gericht wird das AG N. bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin und die Beklagten sind gemeinsam mit ihrer Schwester S. Miterben zu je einem Fünftel nach ihrer am 27.9.2004 in N. - ihrem letzen Wohnsitz - verstorbenen Mutter. Die Klägerin hat mit ihrer am 23. 06.2006 beim AG N. eingereichten Klage beantragt, die Beklagten zu 1. bis 3 zu verurteilen, an sie jeweils 1.025,88 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Sie hat dazu vorgetragen, sie und ihre Schwester S., die ihre Forderung an sie abgetreten habe, hätten im Zusammenhang mit der Abwicklung des Nachlasses nach Maßgabe der Beschlüsse der Erbengemeinschaft vom 20.11.2004 und 2.4.2005 einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die übrigen Miterben von jeweils 931 EUR. Ferner habe sie - die Klägerin - den Debetsaldo der Erblasserin auf deren Konto über 474,43 EUR ausgeglichen und hieraus einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagten von jeweils 94, 88 EUR. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus §§ 27, 28 ZPO. Die Beklagten zu 2. und 3. haben die örtliche Zuständigkeit des AG N. gerügt. Dieses hat die Auffassung vertreten, dass seine Zuständigkeit nach §§ 27, 28 ZPO nicht gegeben sei und am 26.2.2006 über die Zulässigkeit der Klage verhandelt. Die Klägerin hat beantragt, die Akten dem LG Kiel zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorzulegen. Dem ist das AG gefolgt. Das LG Kiel hat die Akten zuständigkeitshalber dem OLG Schleswig zur Bestimmung der Zuständigkeit übersandt.
II. Der Antrag ist nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2, 37 ZPO zulässig. Zum örtlich zuständigen Gericht war das AG N. zu bestimmen.
1. Für die Klage ist nach dem maßgeblichen Vortrag der Klägerin der gemeinschaftliche besondere erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft nach §§ 28, 27 ZPO gegeben. Bei den geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich um solche, die ungeachtet der Vereinbarung der Miterben im Zusammenhang mit der Abwicklung des Nachlasses entstanden sind, mithin um sog. Nachlasserbenschulden. Diese unterfallen grundsätzlich § 28 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 28 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl., § 1967 Rz. 8). Das gilt entgegen der Auffassung des AG auch dann, wenn - wie hier - ein Miterbe selbst Nachlassgläubiger ist (BayObLG v. 10.11.2003 - 1Z AR 114/03, BayObLGReport 2004, 85 = NJW-RR 2004, 944; OLG Naumburg ZEV 2006, 33; OLG Karlsruhe BeckRS 2004,1). Ferner ist es unerheblich, dass die Klägerin die Beklagten als Teilschuldner in Anspruch nimmt. Entscheidend ist nach § 28 ZPO, dass die vorhandenen mehreren Erben noch als Gesamtschuldner haften. Das ist vorliegend gem. §§ 2058, 421 BGB gegeben. Dies würde grundsätzlich auch für den Fall gelten, dass die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt worden wäre (vgl. BayObLG NJWE-FER 1999, 124, 125). Die Voraussetzungen der §§ 2060, 2061 BGB liegen offensichtlich nicht vor.
2. Nach allem ist für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand bei dem AG N. begründet, was im Regelfall eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausschließen würde. Da aber das AG N. seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint, nimmt der Senat aus prozessökonomischen Gründen gleichwohl eine Bestimmung vor, wobei er dasjenige Gericht bestimmt, das nach seiner Auffassung ohnehin zuständig ist (vgl. BayObLG v. 10.11.2003 - 1Z AR 114/03, BayObLGReport 2004, 85 = NJW-RR 2004, 944 m.w.N.; allgemein zur Bedeutung der Prozessökonomie im Rahmen des § 36 ZPO: Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 36 Rz. 1). Das ist zweifelsfrei das AG N. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass dieses Gericht an die Bestimmung gebunden ist (vgl. BayObLG, Beschl. v. 29.11.2004 - 1 Z AR 154/04, BeckRS 2005 C).
Fundstellen
NJW-RR 2008, 96 |
ZEV 2008, 43 |
MDR 2007, 1200 |
NJW-Spezial 2007, 535 |
ZFE 2008, 119 |
OLGR-Nord 2007, 662 |