Leitsatz (amtlich)
1. Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts für die Widerklage und parteierweiternde sog. Drittwiderklage eines in Deutschland verklagten Beklagten mit Wohnsitz in Norwegen.
2. Zur Streitgenossenschaft beim Prätendentenstreit um einen hinterlegten Geldbetrag, wenn zweifelhaft ist, ob der Kläger zur Auszahlung des Betrages an ihn die Einwilligung mehrerer Beklagter kumulativ oder nur alternativ benötigt.
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 34 O 12353/04) |
Tenor
Als für die Widerklage und Drittwiderklage gemeinsam zuständiges Gericht wird das LG München I bestimmt.
Gründe
I. Der Antragsteller hatte aufgrund eines rechtskräftigen Zahlungstitels gegen den später insolvent gewordenen Zahnarzt Z. dessen Honoraransprüche gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) pfänden lassen. Diese erhielt eine Abtretungsanzeige, wonach die Honoraransprüche schon zuvor in einem näher bezeichneten Umfang an die Antragsgegner zu 2) bis 5) abgetreten worden seien. Der Antragsteller hält diese Abtretungen für unwirksam. Auf sein Anraten hinterlegte die KZVB Teile des von ihr geschuldeten Honorarbetrags beim AG unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme. Als Hinterlegungsbeteiligte werden beim AG der Antragsteller und die Antragsgegner zu 2) bis 5) geführt.
Der Antragsgegner zu 1) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Z. Nach seiner Auffassung ist das hinterlegte Geld der Insolvenzmasse zuzuführen. Er erzielte mit den Antragsgegnern zu 2) bis 5) wegen Insolvenzanfechtung eine außergerichtliche Einigung dahin, dass diese ihre durch Abtretung erworbenen Ansprüche auf das hinterlegte Geld an ihn abgetreten und ihre Einwilligung erklärt haben, dass der hinterlegte Geldbetrag an ihn ausgezahlt wird.
Vor dem LG München I erhob der Antragsgegner zu 1) Klage gegen den Antragsteller auf Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrages an den Kläger. Der Antragsteller erhob Widerklage mit dem Antrag, dass der Kläger seinerseits in die Auszahlung an den Beklagten (Antragsteller) einwilligt. Er beabsichtigt, die Widerklage auf die bisher am Rechtsstreit nicht beteiligten Antragsgegner zu 2) bis 5) auszudehnen, und hat insoweit die Bestimmung des LG München I als gemeinsam zuständiges Gericht beantragt.
Der Antragsteller (Beklagter) hat seinen Wohnsitz in Norwegen. Der Antragsgegner zu 1) ist geschäftsansässig am Sitz des Insolvenzgerichts in München. Die Antragsgegner zu 2) bis 5) sind im Bezirk des LG Darmstadt wohnhaft. Antragsteller und Antragsgegner zu 1) haben nach Entstehen der Streitigkeit schriftlich die internationale und ausschließliche örtliche Zuständigkeit des LG München I vereinbart. Der Antragsgegner zu 1) hält die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nicht für gegeben, da die Antragsgegner zu 2) bis 5) ihre Rechtsstellung als Hinterlegungsbeteiligte auf ihn, den Insolvenzverwalter, übertragen hätten; er und die Antragsgegner zu 2) bis 5) seien nicht kumulativ, sondern allenfalls alternativ Hinterlegungsbeteiligte.
II.1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die internationale und örtliche Zuständigkeit des LG München I für die gegen den in Norwegen wohnhaften Beklagten gerichtete Klage ergibt sich aus Art. 17, 54b Abs. 2 Buchst. a) des Luganer Übereinkommens (LugÜ) i.V.m. der zwischen Kläger und Beklagtem getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung. Für die Widerklage gegen den Kläger ist, falls sich die Gerichtsstandsvereinbarung hierauf nicht beziehen sollte, das LG München I jedenfalls nach Art. 6 Nr. 3 Lugü oder nach Art. 6 Nr. 3 EuGVVO zuständig. Wie im nationalen Recht (vgl. Art. 33 ZPO) gilt der Gerichtsstand der Widerklage nach den genannten internationalen bzw. gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen aber grundsätzlich nicht für die parteierweiternde Widerklage - sog. Drittwiderklage -, durch die eine oder mehrere neue Parteien in den anhängigen Rechtsstreit hineingezogen werden (Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Art. 6 EuGVÜ Rz. 16; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 6 EuGVVO Rz. 40; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 6 EuGVVO Rz. 9). Daher ist, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO anwendbar. Die Bestimmung erfolgt in diesen Fällen unter dem Vorbehalt, dass das mit der Widerklage befasste Gericht über die Sachdienlichkeit der Drittwiderklage gem. § 263 ZPO selbst zu befinden hat (BGH v. 28.2.1991 - I ARZ 711/90, MDR 1991, 1093 = NJW 1991, 2838; NJW 1992, 982; v. 6.5.1993 - VII ZR 7/93, MDR 1993, 1121 = NJW 1993, 2120).
b) Auch im Fall der Widerklage setzt die Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO voraus, dass für den Rechtsstreit - d.h. hier für die prozessualen Ansprüche gegen die Widerbeklagten - ein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist (BGH NJW 2000, 1871). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Insbesondere greift für die Widerbeklagten der gemeinschaftsrechtliche Gerichtsstand der Streitg...