Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil neben vertraglichen Ansprüchen, auf die die Klage im Wesentlichen gestützt wird, auch deliktische Ansprüche in Betracht kommen und insoweit möglicherweise der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben ist.
2. Die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts kommt nicht in Betracht, wenn mit dem in der Schweiz ansässigen Drittwiderbeklagten ein anderweitiger Gerichtsstand vereinbart und die im Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens geltende Vermutung, dass es sich um einen ausschließlichen Gerichtsstand handelt, nicht widerlegt ist.
Normenkette
ZPO §§ 32, 36 Abs. 1 Nr. 3, § 38; LugÜ Art. 17 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 5 HKO 4580/04) |
Tenor
I. Als für die Widerklage und die Drittwiderklage gegen die Antragsgegnerin zu 2) örtlich zuständiges gemeinsames Gericht wird das LG München I bestimmt.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist ein Konzern mit Sitz in Berlin. Sie war alleinige Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1), einer GmbH mit Sitz in München. Zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) bestand ein Gewinnabführungsvertrag v. 24.9.1980, auf Grund dessen die Antragsgegnerin zu 1) verpflichtet war, ihre Geschäfte ausschließlich nach den Weisungen der Antragstellerin zu führen und den nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn an diese abzuführen.
Mit Vertrag v. 19.8.2003 hat die Antragstellerin ihren Anteil an der Antragsgegnerin zu 1) mit Wirkung zum 30.9.2003 an die Antragsgegnerin zu 2) übertragen. Die Antragsgegnerin zu 2) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Bezirk des LG München II und 100 %-ige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin zu 3), einer Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Der Vertrag enthält abschließend die Bestimmung: "Für Streitigkeiten aus diesem Vertrag wird als Gerichtsstand Berlin vereinbart". Am 7.10.2003 wurde eine Änderungs- und Ergänzungsvereinbarung zu dem Vertrag v. 19.8.2003 getroffen, die eine gleichlautende Gerichtsstandsvereinbarung enthält.
Am 3.9.2003 hat die Antragstellerin einen "Vertrag über Kauf und Abtretung einer Forderung" mit der Antragsgegnerin zu 3) geschlossen. Mit diesem Vertrag hat die Antragstellerin ihr zustehende Darlehensansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1) und deren Tochtergesellschaften auf Grund von Verrechnungskontoabreden an die Antragsgegnerin zu 3) verkauft und abgetreten. Abschließend ist in diesem Vertrag bestimmt: "Gerichtsstand ist Berlin".
Am 27.8.2003 hat die Antragstellerin mit der Antragsgegnerin zu 1) eine Vereinbarung getroffen, mit der sich letztere verpflichtet, sämtliche Anteile an der Z. GmbH zu veräußern, sobald für alle Anteile ein verbindliches Kaufangebot vorliegt, das zu einem Nettoerlös von mindestens 700.000 Euro führt, und 50 % des dem Betrag von 400.000 Euro übersteigenden Teils des Nettoerlöses an die Antragstellerin abzuführen. Als Gegenleistung hat sich die Antragstellerin verpflichtet, auf einen Teil i.H.v. 400.000 Euro der ihr aus der Verrechnungskontoabrede zustehenden Forderung zu verzichten; ferner haben die Antragsstellerin und die Antragsgegnerin zu 1) Zahlungsmodalitäten zur Tilgung einer Restforderung aus der Verrechnungskontovereinbarung über 900.000 Euro getroffen. Auch in diesem Vertrag ist bestimmt "Gerichtsstand ist Berlin".
Die Antragsgegnerin zu 1) hat gegen die Antragstellerin vor dem LG München I, dem Gerichtsstand der Mitgliedschaft gem. § 22 ZPO, Klage auf Zahlung von Verlustausgleich gem. § 302 AktG i.H.v. 6,3 Mio. Euro erhoben.
Die Antragstellerin hat Widerklage erhoben. Sie verlangt von der Antragsgegnerin zu 1) Zahlung eines Betrages von rund 290.000 Euro, weil der Geschäftsführer der Klägerin weisungswidrig vor dem Übertragungsstichtag diesen Betrag nicht auf das Verrechnungskonto der Antragstellerin überwiesen habe (Widerklageantrag Ziff. 1). Ferner verlangt sie im Wege der Stufenklage Auskunft darüber, ob und inwieweit die Antragsgegnerin zu 1) und/oder ihre damaligen Tochtergesellschaften Beträge außerhalb der in das zentrale Cash-Management einbezogenen Konten vereinnahmt habe, sowie über Rechnungsstellungen und Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit dem Übergabestichtag, Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben an Eides statt sowie Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Höhe (Widerklageantrag zu 2). Hierzu macht die Antragstellerin geltend, der damalige alleinige Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) habe zusammen mit dem Verhandlungsführer der Antragsgegnerinnen zu 2) und 3), dem die Antragstellerin im Vertrauen auf deren Redlichkeit erlaubt habe, sich bereits vor dem Übertragungsstichtag mit der Antragsgegnerin zu 1) und deren Töchtern vertraut zu machen, künstlich den Negativsaldo des Verrechnungskontos hochgefahren, indem Forderungen erst nach dem 1.10.2003 geltend gemacht und ...