Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammensetzung des Aufsichtsrats
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 01.09.1992; Aktenzeichen 7 O 1992/92) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 1. September 1992 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, daß der Aufsichtsrat der B.-GmbH nicht nach § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 zu bilden ist.
III. Die Gesellschaft trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
1. Bei der … BSW-GmbH besteht ein nach § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 gebildeter Aufsichtsrat, da bei dieser Gesellschaft jedenfalls bis zum 14.8.1990 mehr als 500 Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigt waren. Am 14.8.1990 gründeten die BSW-GmbH und die … WSB-GmbH eine offene Handelsgesellschaft, die … WSB-GmbH & Co. OHG (WSB-oHG), welche einen Teil der Arbeitnehmer von der BSW-GmbH übernahm. Nach diesem Zeitpunkt waren bei der BSW-GmbH noch 326, bei der WSB-oHG 211 Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigt. Die Geschäftsführer der BSW-GmbH stellten daraufhin beim Landgericht den Antrag festzustellen, daß der Aufsichtsrat ihrer Gesellschaft nicht mehr wie bisher nach § 77 BetrVG 1952, sondern nach § 52 GmbHG in Verbindung mit der Satzung der Gesellschaft zu bilden sei. Die Gesamtbetriebsräte der BSW-GmbH und der WSB-oHG wandten sich gegen diesen Antrag und beantragten festzustellen, daß der Aufsichtsrat der BSW-GmbH weiterhin nach § 77 BetrVG 1952 zu bilden sei, da die Arbeitnehmer der WSB-oHG, die ein von der BSW-GmbH beherrschtes und abhängiges Unternehmen sei, denen der BSW-GmbH hinzugerechnet werden müßten, so daß die maßgebende Zahl der Arbeitnehmer nach wie vor mehr als 500 betrage.
2. Mit Beschluß vom 1.9.1992 hat das Landgericht festgestellt, daß der Aufsichtsrat der BSW-GmbH weiterhin gemäß § 77 BetrVG 1952 zu bilden sei. Gegen diese am 15.10.1992 im Bundesanzeiger veröffentlichte Entscheidung hat die BSW-GmbH am 2.10.1992 sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung der Arbeitnehmer von BSW-GmbH und WSB-oHG seien nicht gegeben. Die Gesamtbetriebsräte beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Das Landgericht hat ausgeführt: Zwar liege zwischen der BSW-GmbH und der WSB-oHG kein formeller Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG vor, jedoch sei auf Grund der konkreten Umstände von einer tatsächlichen Beherrschung der WSB-oHG durch die GmbH auszugehen; dies führe zur Anwendung von § 77a BetrVG 1952. Die Kammer verkenne nicht, daß nach überwiegender Kommentarmeinung die Anwendung von § 77a BetrVG 1952 einen Beherrschungsvertrag voraussetze und Arbeitnehmer bloß faktisch abhängiger Unternehmen oder durch andere Arten von Unternehmensverträgen verbundener Unternehmen nicht hinzuzurechnen seien. Eine solche Auffassung diene zwar der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, führe aber, wie hier, zu Ergebnissen, die mit dem gesetzgeberischen Sinn der einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht mehr zu vereinbaren seien. Dies gelte insbesondere, wenn zur Umgehung des gesetzgeberischen Willens gesellschaftsrechtliche Abänderungen vorgenommen würden, die zwar an den tatsächlichen Beherrschungsverhältnissen nichts änderten, jedoch dazu führen würden, daß die vom Gesetzgeber für die Arbeitnehmer durch Beteiligung am Aufsichtsrat vorgesehenen Vorteile entfielen. Deshalb müßte in Sonderfällen, wie dem vorliegenden, unter dem Gesichtspunkt der Umgehung des gesetzgeberischen Willens auch bei bloß faktischer Beherrschung eine Zusammenrechnung der Arbeitnehmer beider Unternehmen vorgenommen werden, wenn davon die Bildung des Aufsichtsrates nach § 77 BetrVG 1952 abhinge. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß die aktienrechtlichen Institute des Beherrschungsvertrages nach § 291 AktG und der Eingliederung nach § 319 AktG nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse zwischen einer GmbH oder oHG übertragen werden könnten.
Unbeschadet der Tatsache, daß eine sofortige (Erst-)Beschwerde gegeben ist, darf der Senat die Entscheidung des Landgerichts nur auf Gesetzesverletzungen überprüfen (§ 77 BetrVG 1952, §§ 98, 99 Abs. 3 Satz 3 AktG). Dieser Nachprüfung hält die Entscheidung des Landgerichts nicht stand (§ 550 ZPO).
1. Zu Recht rügen die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Das Landgericht ist, ohne ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, erstmals in seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die Gründung der WSB-oHG dem Zweck gedient hätte, bei der BSW-GmbH die Bildung eines Aufsichtsrates nach § 77 BetrVG 1952 zu verhindern. Demgegenüber sind nach Behauptung der Beschwerdeführer ausschließlich steuerliche Gründe hierfür maßgebend gewesen. Dieser Verfahrensverstoß muß aber nicht weiter erörtert werden, da die Entscheidung des Landgerichts auch aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Bestand haben kann.
2. Der Auffassung ...