Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktienrechtliches Statusverfahren - Unternehmensmitbestimmung
Leitsatz (amtlich)
Die drittelparitätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat einer arbeitnehmerlos gewordenen "Alt"-Aktiengesellschaft entfällt, wenn die AG zwar Muttergesellschaft eines Konzerns ist, ihr die Arbeitnehmer der Tochtergesellschaften aber nicht zuzurechnen sind, weil weder eine Eingliederung i.S.v. § 319 ff. AktG noch ein Beherrschungsvertrag i.S.v. § 291 AktG bestehen.
Normenkette
AktG §§ 18, 96, 98-99, 291; AktG § § 319 ff.; DrittelbG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2, §§ 3, 4 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 29.04.2005; Aktenzeichen 4 O 425/04) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die D. AG zu tragen; außergerichtliche Kosten der Verfahrensbeteiligten werden nicht erstattet.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die an dem Verfahren Beteiligten streiten über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der D. AG. Die genannte Gesellschaft besteht seit dem Jahr 1991 und ist das Spitzenunternehmen des Getränkekonzerns E., der historisch aus einem Familienbetrieb hervorgegangen ist. Bei der Aktiengesellschaft ist bisher ein nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) mit einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehender Aufsichtsrat gebildet.
Weil der Vorstand der Gesellschaft den Rechtsstandpunkt einnimmt, die AG sei eine "Familiengesellschaft" und zudem aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen im Unternehmensverbund (Übertragung der operativen Geschäftsbereiche auf rechtlich selbständige nachgeordnete Einheiten) inzwischen "arbeitnehmerlos" geworden, hat er die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats beantragt. Der Vorstand hat die Feststellung begehrt, dass der Aufsichtsrat der D. AG künftig gem. § 96 Abs. 1 AktG nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre zusammenzusetzen sei. Die weiteren Beteiligten, in den Aufsichtsrat der D. AG gewählte Arbeitnehmervertreter (Beteiligte zu 1), 2) und 5)) sowie der Gesamtbetriebsrat und der Betriebsrat zweier mit der Gesellschaft verbundener Unternehmen (Beteiligte zu 3) und 4)), sind dem Feststellungsantrag entgegengetreten. Sie vertreten die Auffassung, dass es sich bei der D. AG schon deshalb nicht um eine "Familiengesellschaft" handele, weil ein Teil der Aktien von Handelsgesellschaften und juristischen Personen gehalten werde. Ferner treffe es nicht zu, dass die Aktiengesellschaft, wie behauptet, als reine Finanz- und Beteiligungsholding ohne eigene Arbeitnehmer fungiere. Zumindest müssten ihr jedoch die Arbeitnehmer ihres Tochterunternehmens D. & E. GmbH zugerechnet werden; denn auf die vorzeitige Aufhebung des mit dieser Gesellschaft abgeschlossenen Beherrschungsvertrages zum 31.12.2004 dürfe sich die AG wegen Rechtsmissbrauchs nicht berufen, weil damit zielgerichtet der Zweck verfolgt worden sei, die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu beenden.
Das LG Mainz hat mit Beschluss vom 29.4.2005 dem Feststellungsbegehren des Vorstands der AG entsprochen. Gegen diese am 17.5.2005 im Bundesanzeiger veröffentlichte Entscheidung richtet sich die am 19.5.2005 eingelegte sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4). Die Beschwerdeführer wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihren Sachvortrag und die Rechtsausführungen aus der ersten Instanz. Darüber hinaus behaupten sie erstmals, die D. AG unterhalte seit 2005 ein weiteres verdecktes Arbeitsverhältnis; eine laut Arbeitsvertrag bei einem nachgeordneten Unternehmen angestellte Mitarbeiterin werde tatsächlich ganz überwiegend als Assistentin des Sprechers des Vorstands der D. AG beschäftigt. Dem tritt der Vorstand mit einem in Einzelheiten aufgegliederten Tatsachenvorbringen entgegen. Danach sei die Arbeitnehmerin nahezu ausschließlich als Assistentin des Geschäftsführers im operativen Geschäft ihres formalen Arbeitgebers eingesetzt. Der Vorstand der D. AG beantragt deshalb, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.1. Das Rechtsmittel ist gem. §§ 98, 99 Abs. 3 S. 2 AktG als sofortige (Erst-)Beschwerde statthaft, wahrt die gesetzliche Form und Frist (§ 99 Abs. 3 S. 4 und Abs. 4 S. 4 AktG) und ist auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) bis 4) folgt gem. § 99 Abs. 4 S. 3 AktG aus ihrem jeweiligen Antragsrecht nach § 98 Abs. 2 AktG.
Die Zuständigkeit des OLG Zweibrücken zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des nicht zu seinem Bezirk gehörenden LG Mainz ergibt sich aus § 10 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 22.11.1985 (BS 301-6), mit dem der Landesgesetzgeber von der Konzentrationsermächtigung in § 99 Abs. 3 S. 8 AktG Gebrauch gemacht hat.
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Unbeschadet der Tatsach...