Leitsatz (amtlich)
1. Für eine die Konzernobergesellschaft bildende, selbst arbeitnehmerlose Alt-Aktiengesellschaft, die vor dem 10.08.1994 eingetragen worden ist und keine Familiengesellschaft darstellt, besteht ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG nur dann, wenn der Gesellschaft die bei ihren Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer nach der Zurechnungsnorm des § 2 Abs. 2 DrittelbG als eigene zurechenbar sind, was das Vorliegen eines so genannten Vertragskonzerns voraussetzt. Nicht ausreichend ist, dass im faktischen Konzern überhaupt Arbeitnehmer vorhanden sind, deren kollektive Arbeitnehmerinteressen betroffen sein können.
2. Eine Berücksichtigung der bei einer Tochtergesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer bei dem für die Alt-Aktiengesellschaft maßgeblichen Schwellenwert nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG unter dem Aspekt des Gemeinschaftsbetriebs i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG führt bei Vorliegen eines faktischen Konzerns zu einer Umgehung des § 2 Abs. 2 DrittelbG und muss daher aus Rechtsgründen ausscheiden.
Normenkette
AktG §§ 15, 17 Abs. 2, § 18 Abs. 1 S. 3, § 96 Abs. 1, §§ 98-99; DrittelbG § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2, § 2 Abs. 1; DrittelbG § Abs. 2; DrittelbG § 3; BetrVG § 1 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 07.08.2015; Aktenzeichen 82 O 23/15) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller vom 25.09.2015 gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 07.08.2015, 82 O 23/15, wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die 1987 in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft umgewandelte Antragsgegnerin, die als Holdinggesellschaft Einrichtungen der Rehabilitation, Altenpflege und ambulanten medizinischen Versorgung betreibt, hält als Konzernspitze Beteiligungen an der L.-Klinik GmbH (100 Prozent), der I. N. GmbH (100 Prozent), der B. GmbH (70 Prozent) sowie an der H. GmbH (100 Prozent). Zu den Tochtergesellschaften bestehen seit Beendigung des zur L.-Klinik GmbH bestehenden Vertrages zum 31.12.2014 keine Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge.
Die im Jahr 2012 zum Zwecke der Übernahme von Managementaufgaben im Gesundheitswesen für den F.-Klinik Konzern sowie externe Dritte gegründete H. GmbH nahm zum 01.01.2015 ihre Geschäftstätigkeit als Untermieterin der Antragsgegnerin an deren damaligen Sitz in der H.-Straße 92 in C. auf. Diese Geschäftsräume hatte die Antragsgegnerin zum 30.09.2015 gekündigt. Der zu dieser Zeit alleinige Vorstand der Antragsgegnerin, Dr. L., verlegte sein Büro zum 01.05.2015 in die Geschäftsräume der L.-Klinik GmbH in der H.-Straße 137 in C.. Dort ist seit dem 13.10.2015 auch der Sitz der Antragsgegnerin. Die H. GmbH hat ihren Sitz ausweislich der Handelsregistereintragung vom 04.11.2015, Handelsregister AG C., HRB 18622, mittlerweile in die M.-Straße 400 in N. verlegt, wo sich auch der von der I. N. GmbH betriebene Gesundheitspark Hardterwald befindet. Ihr Geschäftsführer ist der Vorstand der Antragsgegnerin Dr. L., der bis zum 31.03.2016 neben der Geschäftsführerin M.-H. auch weiterer Geschäftsführer der L.-Klinik GmbH war. An seiner Stelle ist weiterer Geschäftsführer der L.-Klinik GmbH nunmehr M. (vgl. Handelsregister C., HRB 18239), welcher seit Juni 2015 auch Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin ist (vgl. Handelsregister C., HRB 8060).
Bis Ende 2014 beschäftigte die Antragsgegnerin sieben Arbeitnehmer, davon vier Teilzeitbeschäftigte (4,85 Vollzeitstellen). Diese waren buchhalterisch für die Antragsgegnerin tätig und erfüllten auf Grundlage von Dienstleistungsverträgen selektive Querschnittsaufgaben im Konzern (konsolidiertes monatliches Berichtswesen, Aufstellung der Jahresabschlüsse, einzelne Aufgaben der Haustechnik und der EDV). In den weiteren Kliniken des Konzerns, an denen die Antragsgegnerin Beteiligungen hält, sind insgesamt mehr als 600 Arbeitnehmer (579,75 Vollzeitstellen und zahlreiche Teilzeitstellen) beschäftigt und zwar in der F.-Klinik N. GmbH 219,3 FTEs (Full-Time Equivalents = Vollzeitkräfteanteile), in der L.-Klinik GmbH 155,6 FTEs, in der I. N. GmbH 47,95 FTEs und in der B. GmbH 156,9 FTEs. Seit dem 01.01.2015 beschäftigt die Antragsgegnerin, die die mit den Konzernunternehmen bestehenden Dienstleistungsverträge zum 31.12.2014 gekündigt hatte, keine Arbeitnehmer mehr. Sechs ihrer ehemaligen Arbeitnehmer wechselten zum 01.01.2015 zur H. GmbH, wo einer die Funktion eines leitenden Angestellten übernahm. Die H. GmbH stellte zum 01.01.2015 und 01.04.2015 zwei weitere Mitarbeiterinnen ein. Seit dem 01.01.2015 erbringt die H. GmbH, die unter dem 31.12.2014 Dienstleistungsverträge mit der Antragsgegnerin und weiteren Konzerngesellschaften abgeschlossen hat, u.a. die früher von der Antragsgegnerin erbrachten Leistungen, wie das Finanzmanagement der F.-Klinik AG, die ...