Leitsatz (amtlich)
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG, der für Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat auch bei Aktiengesellschaften mit in der Regel weniger als 500 Arbeitnehmern vorsieht, wenn diese vor dem 10.8.1994 eingetragen worden und keine Familiengesellschaften sind, ist verfassungsgemäß.
Normenkette
DrittelbG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; AktG §§ 98-99; GG Art. 3
Verfahrensgang
LG Dortmund (Beschluss vom 25.02.2010) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller vom 20.4.2010 und vom 21.4.2010 gegen den Beschluss des LG Dortmund vom 25.2.2010 werden - unter Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung - zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird für die Beschwerdeinstanz auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist ein mittelständisches Unternehmen in A., das im Juni 19.. in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft gegründet worden ist. Sie ist die Konzernmutter von vier inländischen und zwei ausländischen Tochtergesellschaften. Diese Tochtergesellschaften sind weder eingegliedert noch durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Antragsgegnerin verbunden. Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin besteht derzeit aus sechs Personen, von denen vier von der Anteilseigner- und zwei von der Arbeitnehmerseite entsandt werden. Im gesamten Konzern sind ca. 550 Mitarbeiter beschäftigt.
Die Zahl der Mitarbeiter war im Jahr 20.. auf 1.054 Mitarbeiter gestiegen, dann im Jahr 20.. auf 230 Mitarbeiter gesunken. Von den derzeit 550 beschäftigten Mitarbeitern sind rund 305 Mitarbeiter im Ausland bei den nicht eingegliederten Tochtergesellschaften beschäftigt. Es wird daher nicht die Zahl von 500 Arbeitnehmern i.S.d. § 1 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 DrittelbG erreicht. Die Antragsgegnerin ist kein Familienunternehmen nach dieser Vorschrift.
Die Antragsgegnerin verfügt gleichwohl über einen drittelparitätisch besetzten Aufsichtsrat. Im Zeitpunkt ihrer Eintragung im Juni 19.. war nach dem damals geltenden § 76 BetrVG 1952 grundsätzlich ein drittelparitätisch besetzter Aufsichtsrat zu bilden, ausnahmsweise konnte bei Familienunternehmen mit weniger als 500 Arbeitnehmern darauf verzichtet werden. § 76 Abs. 1 und Abs. 6 BetrVG 1952 bestimmte:
§ 76 BetrVG 1952 (in der bis zum 31.12.1994 geltenden Fassung):
Abs. 1:
Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien muss zu 1/3 aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen ...
Abs. 6:
Auf Aktiengesellschaften, die Familiengesellschaften sind und weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, finden die Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat keine Anwendung. Als Familiengesellschaften gelten solche Aktiengesellschaften deren Aktionär eine einzelne natürliche Person ist oder deren Aktionäre untereinander i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2-8, Abs. 2 der Abgabenordnung verwandt oder verschwägert sind. ...
Mit Wirkung zum 10.8.1994 wurde dann Abs. 6 BetrVG 1952 geändert:
Abs. 6:
Auf Aktiengesellschaften, die weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, finden die Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat keine Anwendung; für Aktiengesellschaften, die vor dem 10.8.1994 eingetragen worden sind, gilt dies nur, wenn sie Familiengesellschaften sind.
Diese Regelung wurde später in das DrittelbG übernommen.
§ 1 DrittelbG Abs. 1:
"Die Arbeitnehmer haben ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat nach Maßgabe dieses Gesetzes in
1. einer Aktiengesellschaft mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat besteht auch in einer Aktiengesellschaft mit in der Regel weniger als 500 Arbeitnehmern, die vor dem 10.8.1994 eingetragen worden ist und keine Familiengesellschaft ist ..."
Die Änderungen bedeuten damit, dass für sog. Alt-Aktiengesellschaften, d.h. vor dem 10.8.1994 eingetragene Unternehmen, die frühere Regelung weitergilt. Diese sog. Alt-Aktiengesellschaften unterliegen damit auch dann der drittelparitätischen Mitbestimmung - außer bei Familienunternehmen -, wenn sie weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen.
Während des anhängigen Verfahrens begehrte die Firma B., die 40 % der Aktien der Antragsgegnerin hält, die Abberufung zweier Aufsichtsratsmitglieder und stattdessen die Besetzung mit zwei von ihr benannten Aufsichtsräten. Allerdings kam die für die Abberufung der amtierenden Aufsichtsräte erforderliche Mehrheit nicht zustande.
Der Antragsteller zu 1. ist Aktionär der Antragsgegnerin, der Antragsteller zu 2. Mitglied des Aufsichtsrates der Antragsgegnerin.
Sie haben vorgetragen, dass das Statusverfahren nach §§ 98 ff. AktG zulässig sei, weil im Hinblick auf die von ihnen behauptete Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelbG eine Ungewissheit über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates bestehe. Der Antragsteller zu 1. hat erläutert, dass der Unternehmenswert einer nicht drittelparitätisch besetzten Aktiengesellschaft etwa 1/3 höher al...