Leitsatz (amtlich)
Das auch im Beschwerdeverfahren geltende Gebot der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten setzt voraus, dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, ihnen jedenfalls die Gelegenheit einer Teilnahme eröffnet wird. Dies ist nicht der Fall, wenn einem Antrag auf Terminsverlegung, der auf erhebliche Gründe gestützt ist, nicht stattgegeben wird.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 30.09.2003; Aktenzeichen 14 T 778/03) |
AG Schwabach (Aktenzeichen 3 UR II 25/02) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 30.9.2003 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das LG zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.
Am 29.4.2002 fassten die Wohnungseigentümer mehrere Beschlüsse, darunter über die Jahresabrechnung 2001 und den Wirtschaftsplan 2002 sowie die Entlastung von Verwalterin und Verwaltungsbeirat.
Der Antragsteller hat beantragt, sämtliche Beschlüsse vom 29.4.2002 für ungültig zu erklären. Das AG hat den Antrag am 2.12.2002 abgewiesen. Das LG hat durch Beschluss vom 30.9.2003 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.
II. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung des LG und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
1. Das LG hat ebenso wie das AG seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Antragsteller keine Begründung für seine Beschlussanfechtung vorgetragen habe.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Antragsteller beanstandet zu Recht, dass die Vorinstanzen zwar mündlich verhandelt hätten, ihm jedoch keine ausreichende Gelegenheit gegeben hätten, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
Nach § 44 Abs. 1 WEG soll der Richter mit den Beteiligten i.d.R. mündlich verhandeln und darauf hinwirken, dass sie sich gütlich einigen. Die mündliche Verhandlung dient sowohl der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) als auch der Sachverhaltsaufklärung (§ 12 FGG). Sie ist auch im Beschwerdeverfahren erforderlich. Von ihr kann nur in besonderen Ausnahmefällen abgesehen werden. Wird ein solcher Ausnahmefall angenommen, bedarf dies einer näheren Begründung (allgemeine Meinung, z.B. BayObLG v. 22.10.1992 – 2Z BR 80/92, NJW-RR 1993, 280 f.; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 44 Rz. 21 ff.).
b) Eine mündliche Verhandlung „mit den Beteiligten” setzt voraus, dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, ihnen jedenfalls die Möglichkeit einer Teilnahme eröffnet wird. Dies ist hier nicht in ausreichendem Maß geschehen.
Das LG hat zunächst Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 17.9.2003 bestimmt. Diesen Termin hat es auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner wegen dessen Urlaubs ohne weiteres auf den 24.9.2003 verlegt. Am 21.9.2003 hat der Antragsteller beantragt, den Termin zu verlegen, weil er bis 7.10.2003 etwa 300 km entfernt auf Arbeitssuche sei; außerdem habe er einen namentlich bezeichneten Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt. Das LG hat, ohne den Antrag ausdrücklich abzulehnen oder den benannten Rechtsanwalt zu unterrichten, den Termin am 24.9.2003 ohne den Antragsteller abgehalten. Das LG hat damit gegen das Gebot der mündlichen Verhandlung verstoßen und dem Antragsteller den Anspruch auf rechtliches Gehör verkürzt. Der Antragsteller hatte erhebliche Gründe (vgl. § 227 Abs. 1 ZPO) für eine Terminsverlegung vorgebracht, über die sich das LG nicht hätte hinwegsetzen dürfen. Eine mündliche Verhandlung mit dem Antragsteller war insb. auch unter dem Gesichtspunkt der Sachverhaltsaufklärung (§ 12 FGG) geboten, weil der Antragsteller bisher seinen Anfechtungsantrag nicht begründet hatte.
Die Entscheidung des LG kann daher keinen Bestand haben. Sie wird aufgehoben; die Sache wird an das LG zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtbeschwerdeverfahrens, zurückverwiesen.
3. Die Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 S. 1 WEG. Der von den Vorinstanzen angenommene Geschäftswert von 2.500 Euro erscheint wesentlich zu niedrig, auch wenn berücksichtigt wird, dass die Anträge zunächst nicht und in der Rechtsbeschwerdeinstanz im Wesentlichen nur mit formellen Mängeln begründet wurden.
III. Für das weitere Verfahren wird bemerkt:
1. Das LG hat seiner Entscheidung zur Bezeichnung der Antragsgegner eine Liste beigefügt, die als „Mieterliste” überschrieben ist. Das LG wird zu klären haben, ob es sich dabei trotz dieser Bezeichnung um eine Eigentümerliste handelt.
2. Der Antragsteller macht geltend, dass die Eigentümerversammlung vom 29.4.2002 nicht beschlussfähig gewesen sei (vgl. § 25 Abs....