Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Betreuers ist die entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zulässig.
2. Danach kann das Beschwerdegericht über vom Betreuer geltend gemachten, zusätzlichen Zeitaufwand entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.
Normenkette
BGB § 1836; FGG § 23
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 08.07.1996; Aktenzeichen 13 T 835/94) |
AG München (Aktenzeichen 123 VIII 453/90) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 8. Juli 1996 wird zurückgewiesen.
II. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) werden der Beschluß des Landgerichts München I vom 8. Juli 1996 und der Beschluß des Amtsgerichts München vom 9. März 1993 dahin abgeändert, daß eine Vergütung von 5 800 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) bewilligt wird. Im übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Am 12.3.1990 ordnete das Amtsgericht für die Betroffene eine Pflegschaft mit den Wirkungskreisen des Pflegers Aufenthaltsbestimmung und Zuführung zur ärztlichen Behandlung sowie Vermögenssorge an. Als Pfleger wurde der Beteiligte zu 1, ein Rechtsanwalt, bestellt. Die Betroffene verstarb am 7.12.1991. Sie wurde von ihrem Sohn und ihrer Tochter je zu 1/2 beerbt. Am 28.9.1992 beantragte der ehemalige Pfleger, ihm für seine Tätigkeit in der Zeit vom 1.1.1991 bis 7.12.1991 eine Vergütung von 8 500 DM (33 Stunden zu je 257,57 DM einschließlich Mehrwertsteuer) und Auslagen von 76,04 DM zu bewilligen. Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht nach Anhörung der Erben mit Beschluß vom 9.3.1993.
Am 26.3.1993 teilte der anwaltliche Vertreter der Miterbin dem ehemaligen Pfleger mit, er habe sich mit dem Rechtsanwalt des Sohnes der Betroffenen geeinigt, „daß Ihre festgesetzten Betreuungskosten in Höhe von insgesamt 8 576,04 DM von jedem zur Hälfte übernommen werden”.
Am 23.8.1993 legten der Sohn der Betroffenen und dessen Tochter (Beteiligte zu 2), auf die dessen Erbteil übertragen worden war, Beschwerde ein. Am 21.10.1994 verstarb der Sohn der Betroffenen. Seine Alleinerbin ist die Beteiligte zu 2.
Im Beschwerdeverfahren hat der ehemalige Pfleger seinen Vergütungsantrag um insgesamt 1 250 DM mit der Begründung erweitert, er habe eine Stunde wegen eines Rechenfehlers nicht berechnet, außerdem seien weitere vier Stunden zu vergüten, die er im November und Dezember 1992 auf gewendet habe. Mit Beschluß vom 8.7.1996 hat das Landgericht unter Einbeziehung der erweiterten Anträge entschieden und dem ehemaligen Pfleger eine Vergütung in Höhe von 4 350 DM bewilligt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 im übrigen und die weitergehenden Vergütungsanträge hat es zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die auf den Stundensatz und den nicht anerkannten Zeitaufwand von drei Stunden für den Bericht vom 13.11.1992 beschränkte weitere Beschwerde des ehemaligen Pflegers sowie die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, die sich gegen den vom Landgericht anerkannten Zeitaufwand wendet.
Entscheidungsgründe
II.
Die weiteren Beschwerden sind zulässig, zum Teil Erfolg hat lediglich die des ehemaligen Pflegers.
1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.
a) Die Erstbeschwerde ist zulässig. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß das Rechtsschutzbedürfnis nicht wegen der am 26.3.1993 dem Beteiligten zu 1 mitgeteilten Einigung über die festgesetzte Vergütung entfallen ist. Diese Einigung enthält auch keinen wirksamen Rechtsmittelverzicht, der die Beschwerde unzulässig machen würde (vgl. BayObLG NJW 1965, 539; Keidel/Kahl FGG 13. Aufl. § 19 Rn. 106). Aus ihr ergibt sich nicht unzweideutig, daß der Sohn der Betroffenen sein Recht auf Überprüfung der ihn belastetenden Entscheidung aufgeben und diese hinnehmen wollte (vgl. BGHZ 2, 112/117; BayObLG NJW-RR 1991, 402/403).
b) Das Landgericht hat ohne Verfahrensfehler auch über die erstmals im Beschwerdeverfahren gestellten Vergütungsanträge entschieden.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist – in den Grenzen der Beschwerde – allerdings grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist (BGH NJW 1980, 891; BayObLGZ 1996, 81/83 m.w.N.). Eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen über die Klageerweiterung im Berufungsverfahren (§§ 523, 263 ff, 528 Abs. 1 ZPO – vgl. BGH NJW 1986, 2257/2258; Zöller/Gummer ZPO 20. Aufl. § 528 Rn. 9; Thomas/Putzo ZPO 20. Aufl. § 528 Rn. 8) ist im Beschwerdeverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht generell möglich. In Amtsverfahren wird sie weitgehend abgelehnt, insbesondere dann, wenn mit Änderung der Anträge eine Änderung des Verfahrensgegenstandes verbunden ist (vgl. BayObLGZ 1994, 73/76; OLG Köln OLGZ 1994, 334; OLG Hamm OLGZ 1968, 332/333; Keidel/Kuntze § 23 Rn. 3). In echten Streitverfahren wird eine entsprechende Anwendung hingegen befürwortet (BayObLGZ 1975, 53/56f; BayObLG WuM 1989, 451/453 und 1991, 413; Bassenge/H...