Leitsatz (amtlich)

1. Im aktienrechtlichen Spruchstellenverfahren besteht nicht die Möglichkeit, sich einer unselbständigen Anschlußbeschwerde anzuschließen.

2. Bei der Ermittlung von Abfindung und Ausgleich auf der Grundlage der Ertragswertmethode kann es im Einzelfall vertretbar sein, die erste Phase auf einen Planungszeitraum von nur einem Jahr zu beschränken.

3. Bei der Bestimmung des angemessenen Ausgleichs für einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaften am 10.6.1992 zugestimmt hat, ist die Änderung der körperschaftssteuerlichen Ausschüttungsbelastung durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.9.1993 nicht zu berücksichtigen (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichung von OLG Zweibrücken AG 1995, 421).

4. Zum Umfang der Vorlage an den Bundesgerichtshof bei mehreren Verfahrensgegenständen.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 5HK O 14889/92)

 

Tenor

I. Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerinnen gegen den Berichtigungsbeschluß des Landgerichts München I vom 1. März 1999 werden zurückgewiesen.

II. Die Anschlußbeschwerde des Antragstellers zu 2 vom 17. Juni 1999 wird verworfen.

III. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 3 und die Anschlußbeschwerden der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 3. Dezember 1998 werden dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe

I.

1. Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin zu 2, die, teilweise über in- und ausländische Tochtergesellschaften, Gasbetonsteine und andere Baumaterialien herstellt und vertreibt. Ihr Grundkapital beläuft sich auf 27.000.000 DM. Hiervon hielt die Antragsgegnerin zu 1, die damals die Rechtsform einer GmbH hatte, am 10.6.1992 99,56 %. Die Antragsgegnerin zu 1 schloß mit der Antragsgegnerin zu 2 am 30.4.1992 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der nach der am 10.6.1992 erfolgten Zustimmung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 2 am 28.10.1992 im Handelsregister eingetragen und am 28.11.1992 veröffentlicht wurde. In diesem Vertrag garantiert die Antragsgegnerin zu 1 den außenstehenden Aktionären der Antragsgegnerin zu 2 für jede Stammaktie mit einem Nennwert von 100 DM einen jährlichen Ausgleich von 86 DM. Wahlweise bietet sie den Erwerb einer Aktie für 1.250 DM an.

2. Die Antragsteller haben beim Landgericht beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung und einen höheren Ausgleich festzusetzen.

Mit Beschluß vom 3.12.1998 (AG 1999, 476) hat das Landgericht die Abfindung auf 1.794 DM und den Ausgleich auf 108 DM je Stammaktie im Nennwert von 100 DM festgesetzt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Es folge bei seiner Entscheidung den Überlegungen des Sachverständigen. Dieser sei bei der Ermittlung des Unternehmenswerts zum einen von den überprüften Planungsrechnungen der Antragsgegnerin zu 2 für das Jahr 1992 (Phase 1) und ab dem „Normjahr” 1993 für eine zweite Phase von einer aus einer Vergangenheitsanalyse entwickelten Ertragsprognose ausgegangen. Eine detaillierte Planung für das zweite bis achte Jahr sei im konkreten Fall nicht sinnvoll und deshalb vom Sachverständigen auch nicht nachzuholen gewesen. Überzeugend sei dessen Grundannahme, in den neuen Bundesländern nach einer Sonderkonjunktur für die Jahre 1993 bis 1996 die gleichen durchschnittlichen Absatzmengen an Porenbausteinen und sonstigen Montagebauteilen wie in den alten Ländern anzusetzen und insgesamt für die Jahre 1993 ff. von durchschnittlichen Absatzmengen in inflationsbereinigten Nettopreisen auszugehen, die spürbar über den Durchschnittswerten der Vergangenheit lägen.

Der Kapitalisierungszinssatz betrage 9,5 %. Der Sachverständige habe zutreffend aus der Durchschnittsrendite risikoarmer Wertpapiere der letzten 20 Jahre vor dem Bewertungsstichtag einen Basiszinssatz von 7,5 % ermittelt. Dieser Zeitraum umfasse drei abgeschlossene Hoch- und Niedrigzinsphasen. Auch entspreche der von ihm angenommene Inflationsabschlag von 1 % der Spruchstellenpraxis. Insoweit sei von einer Überwälzung der Preissteigerungen der Kostenseite auf die Erlöse auszugehen. Es sei schließlich ein Risikozuschlag in Höhe von 2 % für 1992 und von 3 % für 1993 ff. angemessen. Während die speziellen Risiken eines Unternehmens in der Ertragswertberechnung zu berücksichtigen seien, könnten generelle Risiken, etwa durch unvorhersehbare Umsatz- und Ertragsschwankungen und allgemeine konjunkturelle Einbrüche, die den Investor im Gegensatz zu dem Anleger in langfristigen festverzinslichen Wertpapieren berührten, nicht in gleicher Weise berechnet werden. Die Baubranche sei besonders stark durch nicht prognostizierbare gesetzgeberische Entscheidungen und gesamtwirtschaftliche Konjunkturabläufe beeinflußt. Der relativ hohe Risikozuschlag sei erforderlich, da der Sachverständige ab 1993 als nachhaltig angenommenes Unternehmensergebnis das um etwa 30 % erhöhte durchschnittliche Ergebnis der Jahre 1987 bis 1991 angesetzt habe.

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