Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandlung gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Urteil vom 16.07.1981) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 16. Juli 1981 samt den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Am 16.7.1981 verhängte das Amtsgericht Nürnberg gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen § 5 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 1 JArbSchG eine Geldbuße von 400 DM.
Nach den Feststellungen des Urteils ist der Betroffene als Verkäufer im „K.” in N. angestellt. In diesen Geschäft, das seinem Bruder gehört, werden Textilwaren verkauft. In einer im einzelnen nicht, mehr genau feststellbaren Woche im Februar 1980 beschäftigte er das am 4.3.1966 geborene Kind P. L. in dem angeführten Laden, Das Geschäft ist während der Wochentage von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr und an Samstagen von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr geöffnet. Die Zeugin L. war in dieser Woche etwa während der Hälfte der täglichen Öffnungszeit jeweils im Geschäft beschäftigt. Sie hatte nach Anweisung des Betroffenen Reinigungs- und Aufräumarbeiten zu erledigen. Darüber hinaus wurde sie auch mit Verpackungsarbeiten beschäftigt. Als Gegenleistung für ihre Tätigkeit erhielt die Zeugin während des genannten Zeitraums freie Kost und Logie in der Wohnung des Betroffenen. Dieser unterließ es pflichtwidrig, sich vor Arbeitsaufnahme durch die Zeugin L. z.B. durch Vorlegenlassen eines Ausweises über deren Alter zu vergewissern.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
Das Amtsgericht geht zwar zutreffend davon aus, daß der objektive Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit der unzulässigen Beschäftigung von Kindern gemäß § 5 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 1 JArbSchG gegeben ist. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts lag auch entgegen der Ansicht des Betroffenen ein Beschäftigungsverhältnis zwischen ihm und der Zeugin L. vor. Ob insoweit ein bürgerlich-rechtlich wirksamer Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, daß hier ein faktisches Arbeitsverhältnis gegeben war und die Zeugin in dem fraglichen Geschäft auf Anweisung des Betroffenen Reinigungs- und Aufräumarbeiten gegen Entgelt zu erledigen hatte. Das insoweit von den Feststellungen des Ersturteils abweichende Vorbringen des Betroffenen und seine Hinweise auf die Aussagen des Zeugen T. Lo. können vom Senat, den Regeln des Rechtsbeschwerdeverfahrens entsprechend, nicht berücksichtigt werden (vgl hierzu ausführlich BGH NJW 1979, 2318).
Die bisherigen Ausführungen des Amtsgerichts reichen jedoch nicht aus, den Vorwurf der Fahrlässigkeit zu begründen. Zu Unrecht geht der Tatrichter hier davon aus, jeder Arbeitgeber sei vor Beschäftigung eines Kindes oder Jugendlichen automatisch verpflichtet, sich über dessen Alter z.B. durch Vorlage eines Ausweises zu vergewissern. Eine so ausgedehnte Rechtspflicht kennt das Jugendarbeitsschutzgesetz nicht.
Sie läßt sich nicht aus § 49 JArbSchG begründen. Nach dieser Bestimmung haben Arbeitgeber, die Jugendliche beschäftigen, zwar Listen, in denen u.a. auch deren Alter angegeben sein muß, zu führen. Insoweit genügt Jedoch die Fixierung der Angaben der Jugendlichen. Diese müssen grundsätzlich nicht durch Dokumente oder Angaben Dritter bestätigt sein.
Eine Pflicht, sich in jedem Fall über das Alter der Arbeitssuchenden durch Vorlage eines Ausweises zu vergewissern, läßt sich auch nicht aus dem bußgeldverwehrten Kinderbeschäftigungsverbot des § 5 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 1 JArbSchG in Verbindung mit der Überlegung ableiten, daß nur dann eine Gewähr für die Vermeidung objektiver Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz bestehe.
Da der Gesetzgeber nur vorsätzliche und fahrlässige Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz mit Buße bedroht und eine Ausweisvorlegepflicht nicht normiert hat hat er bewußt in Kauf genommen, daß nicht alle Verstößen gegen das Kinderbeschäftigungsverbot geahndet werden können.
Eine ähnliche Rechtslage besteht bei der Anwendung des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit Auch dort sind bußgeldbewehrte Verbote z.B. hinsichtlich der Abgabe von Branntwein an Kinder und der Teilnahme des Kindern an bestimmten Veranstaltungen normiert. Daß aus Verboten allein eine allgemeine Pflicht, sich z.B. durch Ausweisvorlage stets Gewißheit über das Alter der Kinder oder Jugendlichen zu verschaffen, nicht abgeleitet werden kann, ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt (vgl. hierzu BayObLG vom 25.2.1981 – 3 Ob OWi 205/80; BayObLOSt 1959, 360/361; OlG Hamburg GA 1962, 119, 120; OLG Köln GA 1959, 353, 354; Potrykus in Erbs/Kohlhaas Anm. 5 zu § 14 JSchöG).
Die Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers geht somit nicht soweit, daß er jede objektive Möglichkeit einer Zuwiderhandlung gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz ausschließen muß. Er verletzt sie ...