Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen eines Vorbescheids im vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahren.
2. Die Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung eines Grundstückskaufvertrages ist eine Ermessensentscheidung. Maßgebend ist auf das Interesse des Betroffenen abzustellen.
3. Die Genehmigung kann auch schon vor Abschluss des zu genehmigenden Vertrages erteilt werden, wenn der Vertragsinhalt im wesentlichen feststeht.
4. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs bei angekündigter Rechtsmittelbegründung.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGG § 19 Abs. 1; BGB § 1821 Abs. 1 Nr. 1, § 1828
Verfahrensgang
LG Traunstein (Aktenzeichen 4 T 3634/02) |
AG Traunstein (Aktenzeichen XVII 1402/97) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 16.10.2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das AG führt für die Betroffene ein Betreuungsverfahren. Zu Betreuern bestellt sind der Ehemann der Betroffenen (Aufgabengebiete: Sorge für die Gesundheit und die damit in Zusammenhang stehende Vertretung gegenüber Dritten, insbesondere Behörden, Krankenkassen, Heimen und ähnlichen Einrichtungen), die Schwester der Betroffenen (Aufgabengebiete: Regelung von Aufenthaltsangelegenheiten, Vermögenssorge einschließlich Entgegennahme und Öffnen von Postsendungen mit Ausnahme persönlicher Schreiben sowie Vertretung gegenüber Dritten, insbesondere Behörden, Krankenkassen, Heimen und ähnlichen Einrichtungen, soweit nicht die Gesundheitssorge betroffen ist) und ein Rechtsanwalt als berufsmäßiger Ergänzungsbetreuer (Aufgabenkreis: Sachaufklärung der Mithaft der Betreuten in bezug auf sämtliche Bankschulden und im Zusammenhang damit zu stellender Schadensersatzansprüche und eventueller Strafverfahren).
Mit Schreiben vom 24.4.2002 bat die Schwester der Betroffenen um vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines Vertrages betreffend den Verkauf eines Hausgrundstücks der Betroffenen in Spanien. Der Verkauf sei dringend erforderlich, um mit dem erzielten Erlös das Haus der Betroffenen in Traunstein zu entschulden. Das AG erließ unter dem 5.9.2002 einen Vorbescheid. Es werde beabsichtigt, die beantragte Genehmigung zu erteilen, falls nicht rechtzeitig ein Rechtsmittel eingelegt werde. Gegen diesen Bescheid legten die Betroffene und ihr Ehemann Beschwerde ein. Das LG hat die Beschwerde des Ehemanns der Betroffenen mit Beschl. v. 16.10.2002 als unzulässig verworfen. Die Beschwerde der Betroffenen hat das LG mit gleichem Beschluss zurückgewiesen. Gegen letzteres richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.
II. Die weitere Beschwerde der Betroffenen ist zulässig. Ihr Gegenstand ist, wie sich aus dem Inhalt der Beschwerdebegründung ergibt, die Zurückweisung der Erstbeschwerde der Betroffenen durch das LG.
1. Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass die Betroffene möglicherweise geschäftsunfähig ist. Sie ist unbeschadet dessen in allen Verfahren, die ihre Betreuung betreffen, nach § 66 FGG verfahrensfähig. Dies gilt auch für Verfahren betreffend die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung von Verträgen (vgl. Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 66 FGG Rz. 1) und schließt die Möglichkeit der Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten mit ein (Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 66 FGG Rz. 2; Keidel/Kayser, FGG, 14. Aufl., § 66 Rz. 4).
2. Als erfolglose Erstbeschwerdeführerin ist die Betroffene beschwerdeberechtigt (Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 27 FGG Rz. 7).
III. Die weitere Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet.
1. Zutreffend hat das LG die Erstbeschwerde als zulässig angesehen und in der Sache über den ergangenen Vorbescheid entschieden.
a) Im Verfahren der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäfts ist ein Vorbescheid gesetzlich nicht vorgesehen. Jedoch ergibt sich die Befugnis des Rechtspflegers zum Erlass eines solchen Bescheides aus der Entscheidung des BVerfG vom 18.1.2000 (BVerfGE 101, 397 ff.). Der Rechtspfleger hat vor Erlass einer in den Anwendungsbereich der §§ 55, 62 FGG fallenden Verfügung diese durch einen beschwerdefähigen Vorbescheid anzukündigen, wenn erkennbar ist, dass die beabsichtigte Entscheidung Rechte Dritter berührt, denen sonst der Rechtsweg gegen die Entscheidung selbst – jedenfalls praktisch – versperrt wäre (vgl. BVerfGE 101, 397 ff.; BayObLGZ 2002, Nr. 35).
b) Durch den Vorbescheid kündigt das Gericht in einem aufgrund vollständiger Ermittlungen entscheidungsreifen Verfahren an, es werde eine bestimmte Entscheidung erlassen, wenn gegen die Ankündigung nicht innerhalb einer bestimmten Frist Rechtsmittel eingelegt werde (BGHZ 20, 255 [257]; BayObLG v. 21.12.1993 – 1Z BR 49/93, BayObLGZ 1993, 389 [392]). Der Vorbescheid ist seinem Wesen nach zwar keine instanzabschließende Endentscheidung, sondern nur eine Zwischenverfügung, durch deren Erlass vor der abschließenden Klärung der Rechtslage Nachteile, die durch eine möglicherweise unrichtige Endentscheidung entstehen könnten, hintangehalten wer...